verpasst? : Proll und Prediger
„TV Total“, 23.00 Uhr, Pro7
Fast wäre das Ereignis des Abends der Urteilsverkündung im Jackson-Prozess zum Opfer gefallen. Gerade als die „erste deutsche TV-Show“ beginnen sollte, die U2 als Gast hatte, wie Stefan Raab nicht müde wurde zu betonen, schlossen sich auf den anderen Sendern die Türen des Gerichtssaals in Santa Maria. Wer dort auf das Urteil wartete, der verpasste auf Pro7 die erste Runde U2-Witze, mit denen Stefan Raab angenehm respektlos die Sendung eröffnete.
Dass die irische Band ihren ersten TV-Auftritt hierzulande ausgerechnet bei TV Total und nicht etwa bei „Wetten, dass …?“ absolvierte, ist ein deutliches Zeichen dafür, welches Gewicht Stefan Raab inzwischen hat, wie einst Dieter Thomas Heck besetzt er nun die Schnittstelle zwischen Musikindustrie und TV-Unterhaltung. Sitzreihenweise hatten sich Fans eingefunden, und so hatten U2 mit dem schwülstigen Pathos ihrer neuen Single denn auch schnell das Publikum geschlossen hinter sich, das Studio in ein Stadion verwandelt.
Das Drehbuch für eine bizarre Begegnung war gleichwohl vorgezeichnet: Prediger trifft auf Proll-Humoristen, rheinischer Frohsinn auf irischen Missionsgeist. So wurde es denn auch eine Sternstunde des Aneinandervorbeiredens, als sich die vier Iren zu Stefan Raab auf die Sofas fläzten: Als Bono erzählte, dass die Kampagne für den Schuldenerlass vor sieben Jahren beim G-8-Gipfel in Köln ihren Ausgang genommen habe, schien Stefan Raab nur Bahnhof zu verstehen. Dafür übersetzte er „Eierschaukeln“ kongenial mit „shaking balls“, was wiederum Bono irritierte, der überhaupt angespannter wirkte als sein Gastgeber. Die ganze Zeit schien er, als fragte er sich hinter seinen getönten Brillengläsern: „Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?“. Aber wer die Welt retten will, der muss eben auch durch die Unterhaltungshölle gehen. DANIEL BAX