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Pro und Contra Sprache im GrundgesetzSprachwacht am Rhein

Die CDU macht sich wichtig damit, ein wohlfeiles "Bekenntnis zur deutschen Sprache" ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen. Aber hat dieser tendenziell volkstümelnde Gedanke nicht auch etwas für sich?

Wohnung, Tiere, Forschung - das alles wird im Grundgesetz geschützt. Und die Sprache? Bild: dpa

PRO

Zunächst sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass ein Beschluss, nur weil ihn die in ihrer Mehrheit womöglich nicht unbedingt sympathischen Delegierten ausgerechnet der CDU gefasst haben, nicht allein deshalb schon schlecht sein muss. Hat man das erst einmal akzeptiert, liegt die Sache eigentlich auf der Hand. Denn nichts spricht dagegen, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern.Ob diese "Verankerung" im Sinne des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) gleich als weihevolles "Bekenntnis" empfunden werden muss, darf allerdings bezweifelt bis beschmunzelt werden.

Das Grundgesetz, verabschiedet am 23. Mai 1949 in übrigens herrlich klarer deutscher Sprache, dient vor allem dem Schutz so schützenswerter Werte wie der Meinungsfreiheit, dem Tierschutz, der Unverletzlichkeit der Wohnung oder der Freiheit von Forschung und Lehre. Warum nicht auch eine so wesentliche Kulturtechnik wie die Sprache unter den Schutz der Verfassung stellen? Schließlich ist hierzulande weit mehr als anderswo die gemeinsame Sprache der Kitt, der das in viele verschiedene Stämme - mit teilweise fürchterlichen Dialekten - zerfallende Gemeinwesen zusammenhält.

In allen deutschsprachigen Nachbarländern, von Liechtenstein über Österreich bis zur vielsprachigen Schweiz, hat die Sprache ihren prominenten Platz in der Verfassung. Mag sein, dass ebendieses Gewicht ihr ausgerechnet in Deutschland - dem Land also, das seinen Namen immerhin der "gemeinsamen Zunge" seiner Völker verdankt - nach 1945 vorsichtshalber mal nicht beigemessen werden sollte. Aber die Zeiten ändern sich, die Sprache ändert sich, und das Grundgesetz ist auch nicht in Marmor gemeißelt. ARNO FRANK

CONTRA

Eigentlich ist der Hochsommer die Zeit für überflüssige Vorschläge, die gerade ausreichend kontrovers sind, um sie ein paar Tage halbwegs ernsthaft zu diskutieren. Nun herrscht draußen eher Regen und Kälte als Sonne und Hitze, doch das ist kein Grund, sich täuschen zu lassen. Die CDU will die deutsche Sprache im Grundgesetz verankern, im Artikel 22, der unter anderem die Flagge regelt.

Bleiben wir doch bei der Argumentation der CDU. "Ich halte wenig von der Aufnahme von immer mehr Dingen ins Grundgesetz. Das weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten", formulierte es Innenminister Wolfgang Schäuble im taz-Interview. Leider ging es da um den Datenschutz. Dessen Verankerung im Grundgesetz könnte neben der symbolischen Wirkung auch wirklich zu etwas führen - und wenn es nur ein paar zusätzliche Stellen für die Datenschutzbeauftragten sind.

Aber was will die CDU aus einem Deutsch-Grundsatz ableiten? Ein diffuses "mehr Deutsch" in den Klassenzimmern? Ausschusspapiere ab jetzt ohne Bonmots? Der Bundestag darf keinen "Newsletter" mehr verschicken? Doch die CDU will mit ihrem Beschluss nur ein "Bekenntnis" zur deutschen Sprache. Ein aufforderndes "Bitte, achtet da mal drauf" wäre mit einer Verwaltungsvorschrift allerdings billiger zu haben - mit besseren Erfolgsaussichten und weniger anrüchigem Deutschtum.

Wenn jemand unbedingt das Bedürfnis hat, etwas Sprachliches ins Grundgesetz zu schreiben, dann bitte etwas anderes: Ein Bekenntnis gegen unverständliche Gesetzesvorlagen und verschwurbeltes Beamtendeutsch. Wenn eine Einfriedung einfach Zaun und der Fahrtrichtungsanzeiger Blinker genannt werden würde, hätten alle etwas gewonnen. Sogar die Sprache. SVENJA BERGT

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6 Kommentare

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  • PM
    Peter Maas

    Man ändert Gesetze, um etwas zu bewirken. Solange mir niemand konkrete Beispiele dafür nennen kann, was dieser Verfassungszusatz bewirken soll, bin ich dagegen. Dann ist das nur überflüssiges Präambel-Gedöns, das man verlustfrei aus Gesetzen herauskürzen kann.

  • KD
    Kurt David

    Der Formulierungsvorschlag "Die Sprache der Bundesrepublik ist deutsch" halte ich dann aber für verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.

  • VS
    Volker Steinkuhle

    Das Thema ist ja auch Top-News bei der Konkurrenz. In Zeit-online gibt es einen Artikel dazu:

    http://www.zeit.de/cdu-sprache-grundgesetz

     

    Bis zur Stunde trudelten dort 90!! Leserkommentare ein...von schlau bis intelligent, von lustig bis dämlich...einfach alles dabei. Einer ist es wert, auch hier gebracht zu werden... ;-))

     

    55. Sprachbezug ins GG

     

    Boah ey...

  • LM
    Lorenz Meyer

    Wir schließen uns der CDU-Forderung ausdrücklich an und haben heute unser Projekt "German is the Message!" gestartet.

     

    Nicht nur Insider wissen, dass wir bei den PISA-Ratings unterdurchschnittlich performt haben.

     

    Sowohl Teens und Twens als auch der normale Consumer haben den Benefit der deutschen Sprache aus den Augen verloren. Daran mögen auch wenige bemühte Best-Ager und Silver-Surfer nichts ändern.

     

    Der Hype um die deutsche Sprache war wohl nie sehr stark, aber der Boom der Begriffe mit englischem Hintergrund erfährt ein neues All-Time-High. Wenn es so weiter geht, werden wir mit den Global Playern nicht mehr mithalten können und unseren Lifestyle aufs Spiel setzen.

     

    Unser Claim muss daher lauten: Back to the Roots und zurück zur deutschen Sprache!

     

    Man muss kein Trendsetter sein, um zu erkennen, dass die deutsche Sprache ein Evergreen unter den Sprachen ist, die vielfältige Ausdrucksmöglichkeit mittels deutscher Wörter ist nicht zu toppen!

     

    Nach etwas Brainstorming haben wir in einem Meeting einige Flyer und Folder entworfen, in denen wir ein klares Commitment zur deutschen Sprache abgeben. Diese könnt Ihr im Downloadbereich herunterladen und als Handouts printen und an Friends & Family weiter reichen. (Der Teaser auf dem Frontcover des Flyers ist hoffentlich ein echter Eye Catcher. Ein Briefing ist daher wohl nicht nötig, das Handling ist mehr als einfach.)

     

    Wir müssen uns bewusst werden: die deutsche Sprache ist unsere Cash-Cow, die wir dank unserer Soft-Skills noch lange weiter melken sollten. Kommuniziert das in Eurer Community!

     

    Wenn wir alle zusammen halten, erreichen wir den Turnaround und machen die Sache zur Success-Story und zur Win-Win-Situation für alle. Seit also keine Couch Potatoes, und schließt Euch unserer Initiative zur Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz an.

     

    Lorenz Meyer

    02. Dezember 2008

  • SV
    Stephanie Vorberg

    Ich möchte Frau Berg beichtigen, äh: berichtigen:

     

    "Wenn eine Einfriedung einfach Zaun und der Fahrtrichtungsanzeiger Blinker genannt werden" w ü r d e n.

    (Also: P l u r a l im Verb als Prädikatsanzeige für zwei Subjekte. Sonst o.k.! - Das ist auch einfaches, denk-leitendes Deutsch!)

  • LK
    Ludwig Kamberlein

    Ein gut integrierter befreundeter Türke erzählte mir kürzlich, er sei auf einer Behörde aufgrund seines türkischen Namens sofort zu einer (ausschließlich) türkisch sprechenden Sachbearbeiterin geschickt worden. Mein Freund war total beleidigt, denn er spricht einwandfrei deutsch.

    Wahrscheinlich hat ein expandierendes Staatswesen ein Interesse an einem möglichst großen Sprachwirrwarr, damit es bald wieder `ordnend´ eingreifen kann. Schäuble würde sich vermutlich freuen ...