Pro und Contra Bayernpartei: Bayern rauswählen aus Deutschland?
Die Bayernpartei wirbt für ein Deutschland ohne Bayern, wenn man bei der Europawahl für sie stimmt. Sollte man sie wählen und sich so Bayern entsorgen? Oder besser nicht?
P RO
Es muß kein Wunschtraum bleiben: Deutschland könnte Bayern, den sogenannten Freistaat, bald schon los sein. Die Europawahl als Startschuss für die Neuordnung der Bundesrepublik - wie das geht? Nun, da es keine Landeslisten bei der Wahl zum EU-Parlament gibt, steht eine separatistische Vereinigung für jeden und jede in Deutschland zur Wahl. Die Bayernpartei will die Abstimmung am Sonntag zum Plebiszit machen. "Wollt ihr nicht auch die Bayern loswerden? Dann wählt die Bayernpartei!", steht auf ihren Plakaten. Die hängen überall in der Republik. Die Bayernpartei meint es ernst.
Wer also keine Lust hat, die üblichen Parteien des demokratischen Spektrums zu wählen, die derzeit ständig und meist vergeblich versuchen, dem Wahlvolk weiszumachen, die Arbeit des Brüsseler Parlaments sei gut, wichtig und wertvoll, wer wirklich etwas bewegen will und die Schnauze voll hat von diesem überdimensionalen Trachtenverein namens Freistaat Bayern, der mache sein Kreuz bei der Bayernpartei.
Diese unerträglich bayerische Mischung aus Neoliberalismus, katholischem Sozialdemokratismus und extrem Rechts, sie hat nichts verloren in einem modernen Deutschland. Ein Bundesland, das einen kalten Krieg mit einem Nachbarland führt, weil man doch tatsächlich der Meinung ist, dass die Sudetendeutschen im vergangenen Jahrhundert die größten Opfer gebracht haben - weg damit! Dass die Bürgerrechte in der Bundesrepublik über die Jahre immer mehr eingeschränkt wurden, hat auch damit zu tun, dass man den Hardlinern von der Isar, die die in Bayern praktizierte Käfighaltung für Flüchtlinge für einen humanitären Akt halten, viel zu oft viel zu weit entgegengekommen ist. Dass sich die Bajuwaren für ein auserwähltes Volk halten, seit einer der ihren - und was für einer! - zum Weltführer des Katholizismus gewählt wurde, macht sie auch nicht sympathischer.
Lasst uns Bayern entsorgen! Die Chancen auf ein freies, gleiches und gerechtes Europa - sie würden steigen.
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz.
***********************************************************************
CONTRA
Es wäre sinnlos, kontraproduktiv und falsch, am Sonntag für die Bayernpartei zu stimmen. Sinnlos, weil es höchst unwahrscheinlich ist, dass sich genügend WählerInnen finden werden, welche die Bayernpartei über die Fünf-Prozent-Hürde hieven wollen. Die Stimme für die Separatisten ist damit faktisch wertlos. Kontraproduktiv, weil mit so einer verschwendeten Stimme indirekt die Stimmanteile für die anderen Parteien aufgewertet würden. Und falsch wäre es sowieso.
Denn Bayern darf auf keinen Fall die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Das wäre schlecht für die Bundesrepublik. Und auch schlecht für Bayern. Schlecht für die Republik, weil, seien wir doch ehrlich, ohne die ständige Opposition der Bayern eine unerträgliche Langeweile in die Bundespolitik einziehen würde. Angesichts des dann vollkommen widerspruchslos hingenommenen Konsensgewurstels der großen Parteien würden große Teile der Bevölkerung in eine tiefe Hoffnungslosigkeit stürzen, welche zu allem Unglück noch verstärkt würde durch die wegen zusätzlicher Einfuhrzölle selbstverständlich fällige massive Preiserhöhung beim bayerischen Bier.
Schlecht für Bayern wäre ein Austritt aus der Bundesrepublik, weil dieser Schritt, obschon ganz anders gemeint, den Freistaat seiner Identität berauben würde. Denn die Identität Bayerns, das "Mir san mir", speist sich aus der täglich neu vollzogenen Abgrenzung von allem Nicht-Bayerischen. Wenn sich Bayern aus dem Länderbund verabschiedet, wäre diese Abgrenzung endgültig vollzogen - und damit obsolet. Gegen wen sollen sich bayerische Politiker auflehnen, wenn sie nur noch unter sich sind? Wo die "bayerischen Interessen" vertreten? In Bayern etwa? Es wäre lächerlich.
Das bayerische Selbstwertgefühl wäre dahin, Bayern, wie wir es kennen, also die CSU, würde geradezu implodieren, und die rauchenden Trümmer regiert am Ende dann der Franz Maget von der SPD. Das kann niemand wollen.
Stefan Kuzmany ist Chef vom Dienst bei der Taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen