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Pro Telekom-Ausstieg aus RadsportNicht mehr ganz sauber

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Das Engagement der Deutschen Telekom für den Radsport steht mal wieder auf dem Prüfstand. Ein Ausstieg wird wahrscheinlicher. Der Konzern sollte sich wirklich zurückziehen

Sollte es etwa bei der nächsten Tour keine Männer in Pink mehr geben? Bild: ap

D oping ist Sport. Auf kaum eine andere Disziplin trifft dieser Satz mehr zu als auf den Radsport. Seinen Körper so zu manipulieren, dass Sponsoren glücklich und Fans selig sind, ist seit Jahrzehnten schauderhafte Normalität im Leben vieler Profis. Da lassen Fahrer fremdes Blut durch ihre Adern laufen, nehmen als kerngesunde Athleten Medikamente, deren lebensbedrohliche Nebenwirkungen sie billigend in Kauf nehmen, oder sie schlucken irrwitzige Drogencocktails, vor denen selbst so mancher Junkie zurückschrecken würde. Die meisten dieser Extremsportler tun dies ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Sie denken, dass sie genau das tun, was ihre Arbeitgeber, die Rennställe und ihre Sponsoren, von ihnen erwarten. Sie werden bezahlt für das, was sie tun. Sie erhalten reichen Lohn für Doping.

Auch wenn sich ein Rennstall selbst zu reinigen versucht, so wie es T-Mobile nach dem Blutdopingdesaster des Jahres 2006 angekündigt hatte, die Fahrer, Betreuer, Ärzte, sie alle sind dem alten System verhaftet. Der Fall Patrik Sinkewitz steht dafür exemplarisch. Da lässt sich ein Profi in das Anti-Doping-Programm von T-Mobile einbinden, lässt sich als Fahrer einer neuen, sauberen Radsportgeneration feiern und denkt sich nichts dabei, wenn er sich vor einem Trainingslager Testosteron-Gel in die Reisetasche packt. Ein dopingfreier Rennstall, so wie ihn sich die Sponsoren in Bonn vielleicht wirklich erträumt haben, er ist nicht möglich in einer Sportart, in der es immer normal war, Verbotenes zu tun.

Es waren die Sponsoren, die den Radsport groß gemacht haben. In ihrer Hand liegt es, das System der organisierten Manipulation zu zerschlagen. Die Telekom erwägt nun tatsächlich den großen Schnitt, den Ausstieg aus dem Radsport. Vielleicht ist die Entscheidung gegen die Radler in Rosa ja schon gefallen und es müssen nur noch Argumente zusammengetragen werden, mit denen ein Ausstieg aus dem bis 2010 währenden Vertrag mit dem Rennstall juristisch ermöglicht werden kann. Gestern hat der Rennstall Akteneinsicht in die Unterlagen der Freiburger Staatsanwaltschaft beantragt. Man will genau wissen, was gelaufen ist in der Dopingzentrale des deutschen Radsports. Wenn darüber Klarheit besteht, wird in Bonn eine Entscheidung fallen. Im besten Fall für einen Ausstieg. Nur so kann die Telekom ein wirkliches Zeichen im Anti-Doping-Kampf setzen.

Das hätte dann nicht nur Auswirkungen auf den deutschen Radsport, der zu dem werden könnte, was er vor dem Einstieg der Telekom trotz eines Rudi Altig oder eines Dietrich Thurau immer war, zu einer Randsportart. Auch die internationale Szene hätte an einem Ausstieg der Telekom schwer zu knabbern. Der große deutsche Markt, über den sich die Szene, dank hoher Erlöse für Übertragungsrechte, zu einem gut Teil finanziert hat, würde wohl schnell wegbrechen. Konzerne, die in anderen Ländern immer noch versuchen, ausgerechnet über ihr Engagement im Radsport Imagepflege zu betreiben, könnten dem Beispiel der Bonner folgen. Der Radsport, so wie er bis heute existiert, er könnte ins Wanken geraten, wenn in der Vorstandsetage der Telekom die Daumen gesenkt werden. Wer von einem sauberen Sport träumt, der kann sich das nur wünschen.

nein

VON MARTIN KRAUSS

Im August 2007 beendete die berühmte und sympathische Wiesenhof GmbH ihr Engagement bei einem nach ihr benannten Radsportstall. Neue Sponsoren konnten nicht gefunden werden, die Sportler wurden arbeitslos. Heute diskutiert der nicht minder sympathische Telekom-Konzern, ob sein Ableger T-Mobile sich auch aus dem Profiradsport zurückziehen soll. Den Beifall der Sozialdemokratie fände ein solcher Schritt auf jeden Fall.

"Bei aller Sympathie für den Radsport - hier gibt er selbst den letzten Anstoß, dass ein Sponsor, der viel veranlasst hat zur Dopingbekämpfung, am Ende des Tages sagen muss: Jetzt sind wir nicht mehr die richtigen Partner", urteilt der Vorsitzende des Bundestagssportausschuss, Peter Danckert (SPD).

Der Schaden, den ein Rückzug der Telekom beim Radsport bewirkte, wäre klein, hört man, im Vergleich zu der Signalwirkung, die ein solcher Entscheid entfaltete. Vielleicht sogar größer, darf man fragen, als die Signalwirkung, die damals von Wiesenhof ausging? Und der Schaden wäre geringer als bei Wiesenhof?

Bei Telekom hat man Angst ums Image. Der Konzern, dessen Ansehen in der deutschen Bevölkerung vor 15 Jahren noch unter dem der Nationalen Volksarmee gelegen haben dürfte, hatte es dank des Radsports geschafft, moderner zu erscheinen, ja sogar die Deutsche Bundeswehr imagemäßig zu überholen. Jan Ullrich, Erik Zabel und Kollegen sorgten dafür, dass man mit dem Wort "Telekom" weniger lahme Monteure assoziiert denn Geschwindigkeit. Nun aber ist der Radsport in die Dopingdiskussion gerutscht, und die Telekom sorgt sich, wie vor ihr der Hähnchenfabrikant Wiesenhof, um ihr Image als sauberer und gesunder Konzern - was immer das sein könnte.

Das juristische Risiko, sich einfach aus bestehenden Verträgen zu schleichen, hält Sozialdemokrat Danckert für niedrig: "Ich möchte das Gericht in Deutschland sehen, das hier die Telekom verpflichtet, weiter zu finanziellen Zusagen stehen zu müssen und sich zugleich in der Öffentlichkeit permanent beschimpfen und seinen Ruf weiter beschädigen zu lassen."

Es ist nett, wie sich hier ein Sozialdemokrat stellvertretend für weite Teile der liberalen Öffentlichkeit um das Image eines Konzerns sorgt, von dem es gerade heißt, dass er 35.000 Arbeitsplätze auslagern will und in dessen internen Strategiepapieren zu lesen ist, dass künftig jedes Jahr 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Einen Arbeitskampf gegen den Konzernumbau hat das Management weitgehend gewonnen: "50.000 Menschen arbeiten mehr und verdienen weniger", fasst die Welt das Streikergebnis zusammen.

Die Formulierung "Sauberkeit im Sport" ist hier schlicht ein Textbaustein, der gebraucht wird, um die Kostendämpfung beim Konzernabbau zu legitimieren. Schließlich läuft die einst wertvolle Imagemaschine Radsport nicht mehr so gut. Wenn der Rennstall keine Erfolge mehr einführe, fänden ähnliche Diskussionen in der Telekom-Chefetage statt. Mit dem Hinweis auf mangelnde Sauberkeit der Angestellten will man deren Verabschiedung in die Arbeitslosigkeit nur besser dargestellt wissen.

Nein, liebe Telekom: kein Ausstieg aus dem Radsport, kein Abstieg vom Fahrrad, ihr sollt gefälligst weiterzahlen!

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Andreas Rüttenauer
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1 Kommentar

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  • WW
    Wolfgang Wagener

    Ausstieg? So nicht!

    Durch den Ausstieg der Telekom könne Radsport wieder eine Randsportart werden - und wer von einem sauberen Sport träume, der könne sich das nur wünschen. Meint Andreas Rüttenauer in seiner Pro-Ausstiegs-Argumentation. Doch da irrt er , denn Randsportarten sind noch weniger im Blick der kritischen Öffentlichkeit, werden noch weniger kontrolliert (wer soll auch bei "Arme-Schlucker-Sportarten" die Dopingkontrollen finanzieren?) Randsportarten wie Biathlon oder gar Body-Building sind je keineswegs weniger doping-gefährdet. Also gilt für alle Sponsoren: Nicht aussteigen und den Dopern das Feld überlassen, sondern dabei bleiben und gegen Doping handeln. Sonst wird der internationale Radsport von dopenden Spaniern und Italienern dominiert, und in Deutschland gibt es keinen Radsport mehr. Und die Presse sollte bitte auch den Sponsoren anderer Sportarten, in denen Doping und Wettskandale bisher totgeschwiegen werden (Fußball? Tennis? Formel 1?), kritische Fragen zu ihrem Engagement stellen.