: Pro Strip zwei Unterhosen
■ Der männliche Striptease steckt leider noch in den Kinderschuhen / Die taz besuchte die Vorausscheidung
Diskothek „Loretta im Garten“, Mittwoch abend, 23 Uhr, sechs Männer strippen auf der Bühne. Ziel: die Wahl des besten Strippers von Berlin am morgigen Mittwoch.
Klaus, vom Typ deutscher Urlauber auf Mallorca, tritt als erster auf die Bühne. Er ist groß und fett, geht auf die 100 Kilo zu, trägt eine kurze Sport-Hose, Turnschuhe und ein eng sitzendes weißes T-Shirt, daß kurz über seinem Bauchnabel aufhört. Zu einem Schlager springt er wie ein Hampelmann, das ganze Fleisch wippt mit. Die Menge in dem proppevollen Raum johlt.
Die meisten Disko-Besucher sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Männer und Frauen sind gleich stark vertreten. Erlesene Schönheiten stellen die Jury dar. Es sind Freundinnen des Inhabers, Frauen in glitzernden, engen Kleidern mit nacktem Rücken, breiten Gürteln und einer Menge Modeschmuck.
Inzwischen hat sich Klaus hopsend des T-Shirts, der Turnschuhe und der Sport-Hose entledigt. Als er sich auch die Unterhose herunterzieht, buhen einige der Zuschauerinnen. Aber nicht, weil er so schlecht tanzt, sondern weil sich unter der ersten noch ein zweite Unterhose befindet. Kaum hat er diesen zweiten Slip ausgezogen, säuft die Musik jäh ab. Nur den Bruchteil einer Sekunde sehen die Leute Klaus nackt. Im Nu hat er die Unterhose wieder angezogen und hält sich, während er von der Bühne läuft, die restlichen Kleider, vors Becken.
Beim 22jährigen Thomas geht es eine Spur heißer zu. Er tanzt zu zündender Disko-Musik. Thomas ist schlank, hat auf die Schultern hängende dunkelblonde Haare und trägt ein schwarzes Lederhemd sowie eine zerrissene Jeans, durch deren Löcher die Frauen schon im voraus sein Hinterteil begutachten können. Um den Oberarm hat sich Thomas einen Armreif geklemmt. „Machst du das zum ersten Mal in der Öffentlichkeit“, fragt ihn der Moderator. „In der Öffentlichkeit ja“, antwortet Thomas. Seine Haare sind genauso fettig wie sein unbehaarter Brustkorb, den er sich während des Tanzens selbstverliebt mit Öl einschmiert. Ab und zu rotiert er mit den Hüften und streicht dann mit seiner Hand zwischen den Beinen.
Striptease-Tänzer haben im Gegensatz zu ihrem weiblichen Pendant das Problem, ohne zu stocken aus den Schuhen zu kommen. Frauen können dagegen aus ihren Pumps oder Sandalen gleiten. Thomas hat das Problem gelöst, indem er sich auf einen Stuhl setzt, wo er mit dem Oberkörper zu der stoßenden Musik rhythmisch mitschwingt und mit jedem Schwung an seinem Schuh zerrt. Hinzu kommt noch die enge Jeans, aus der er sich hüftrotierend herauszwängt.
Unter den sechs Kandidaten befinden sich nur zwei Männer, die sich etwas haben einfallen lassen. Markus hat seine Vorliebe für den Orient in den Striptease einfließen lassen. Er erscheint in Schnabelschuhen, Turban und Batik-Hüfttuch. Zu orientalisierten Klängen entrollt Markus zunächst den Turban. Anders als die bisherigen Kandidaten lacht er unaufhörlich den ZuschauerInnen entgegen und versucht verführerisch seine Augen zu rollen. Auch er rotiert mit den Hüften, womit er beweist, daß der männliche Striptease leider nicht nur in den Kinderschuhen sondern auch in den Fußstapfen der Frauen steckt. Von allen Kandidaten hat Markus den Unterhosentrick am stärksten ausgeschlachtet: erst eine normale breite Unterhose, darunter ein Tanga-Slip und schließlich ein perlenbesetztes Dreieck mit einer Kordel zwischen den Hinterbakken.
Höhepunkt der Show ist der Computerfachmann Uwe. Er ist der einzige, der ein von Anfang bis Ende sitzendes Programm einstudiert hat. Noch dazu kann er tanzen wie eine Mischung aus John Travolta und Michael Jackson. Zu zwei ganz schnellen Umdrehungen zieht er, eh man sich's versieht, sein Jackett aus. Die Frauen von der Jury springen auf, laufen zur Bühne, wo sie ihm begeistert entgegenklatschen. Er sieht sie keß an, in dem Augenblick saust sein Hemd vom Leibe. Noch einmal zwei Umdrehungen. Später wirft er sein T-Shirt in die Menge, eine Traube Menschen stürzt sich darauf. Das soll ein Computer-Fachmann sein? Was für eine Verschwendung! Uwe rotiert nicht mit den Hüften, rollt nicht seine Augen, trägt weder zwei Unterhosen noch einen Tanga-Slip. Das hat er gar nicht nötig. Er zieht sich wie selbstverständlich zu einer Musik aus, bei der man sich nur ausziehen kann. Uwes Striptease ist ein Augenschmaus. Er ist der einsame Höhepunkt des Abends. Er verkörpert die Gewißheit, daß der männliche Striptease einer Entwicklung zu noch ungeahnten Raffinessen entgegengeht.
Elisa Klapheck
(P.S. Qualifiziert haben sich von den sechs Kandidaten für das Finale: Thomas, Markus und Uwe.)
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