: Pro Schwarz-Grün
■ betr.: „Schwarz-Grün könnte ein Zukunftsprojekt sein“, Interview mit Oswald Metzger, taz vom 11.2. 97, LeserInnenbriefe dazu, taz vom 18.2. 97
Oswald Metzger fordert keine Steuersenkungen für die Reichen, sondern er fordert die Steuerwahrheit, denn den Spitzensteuersatz von 53 Prozent zahlt niemand. Wenn Metzger einen Spitzensatz von 40 Prozent fordert bei gleichzeitiger Abschaffung der Steuerschlupflöcher, dann fordert er eine Steuererhöhung – denn 40 Prozent zahlt zur Zeit auch niemand. Werner Driehorst, Uslar
Ich möchte Oswald Metzger zustimmen und zugleich die Frage an die Rot-Grün-Visionäre stellen, was eigentlich ausgerechnet mit dieser SPD an Veränderungen durchzusetzen sein sollte?
Beispiel Steuerreform: Herr Waigel hat eine Steuerreform vorgelegt, die weit mutiger ist, als es zu erwarten gewesen wäre. Er hat sich tatsächlich getraut, Vergünstigungen zu streichen, Ausnahmen abzuschaffen und das Kilometergeld in eine Entfernungspauschale zu wandeln, wie es die SPD seit Jahren gefordert hat.
Was aber ist deren Reaktion? Erstens: Zuschläge auf Nacht- und Feiertagsarbeit sollen steuerfrei bleiben – eine Vergünstigung, die – Hand aufs Herz – eigentlich ungerecht, möglicherweise sogar verfassungswidrig ist, weil die Besteuerung sich sinnvollerweise am Einkommen als Maß der „finanziellen Leistungsfähigkeit“ orientieren sollte und nicht an der Arbeitszeit. Zweitens: die Kilometerpauschale soll erhalten bleiben. Umwelt hin oder her, wenn es im entferntesten ums Auto geht, dann kommt auch von der SPD sofort der Satz: Jeder sechste Arbeitsplatz ...
Drittens: Der Spitzensteuersatz von (immerhin) fast 40 Prozent sei zu niedrig. Hat uns die SPD nicht immer wieder vorgerechnet, daß Einkommensmillionäre mittels allerlei Vergünstigungen häufig gar keine Steuern zahlen? Dann wären die Steuern für „Besserverdienende“ doch um 39 Prozent gestiegen und nicht um 14 Prozent gesenkt worden!
Statt noch mehr Abbau von Vergünstigungen zu verlangen, will die SPD nun möglichst viele erhalten. Populismus pur statt Vereinfachungen und Gerechtigkeit ...
[...] In mehreren Bundesländern hatte die SPD jahrelang Zeit, zu zeigen, welche grundlegend bessere Politik sie zu bieten hat – ich kann keine wirklichen Unterschiede zu den schwarz regierten Bundesländern finden. Ob Steuerpolitik, Gesundheits- und Bildungspolitik, Umwelt- oder Sozialpolitik: Für mich bleibt die SPD phantasielos, unehrlich, erzkonservativ und veränderungsunwillig. Die Anbiederung der Grünen an die SPD hat etwas von Selbstzerstörung. Kann es einen Koalitionspartner geben, für den man mehr grüne Ideale opfern müßte? Hans-Peter Doepner, München
[...] Wer sich aufregt über die zu Recht zurückhaltenden Überlegungen von MdB Oswald Metzger zu einer schwarz-grünen Zusammenarbeit, sollte zuerst einmal die Menschen aus der SPD nennen, die sich ernsthaft für Rot-Grün einsetzen. Nicht nur das Vorgehen der SPD im OB-Wahlkampf in Stuttgart, sondern auch das Vorgehen bei der Steuerreform zeigen, daß diese Damen und Herren viel lieber und am liebsten sofort in das warme und bequeme Bett einer Großen Koalition schlüpfen, als mit Rot-Grün für diese Republik eine wirkliche (zwingend notwendige) Reformpolitik zu machen. Aus meiner Sicht müssen die Bündnisgrünen der SPD deutlich vermitteln, daß es zumindest längerfristig auch andere Möglichkeiten gibt. Es wird Zeit, daß sie den ständigen Kniefall und das Anbiedern aufgeben oder aber, daß sich die SPD ernsthaft zu einem rot- grünen Projekt bekennt. Elmar Braun, Maselheim
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