■ Pro: Jost Stollmann wird zum Glück doch nicht Wirtschaftsminister: Ende mit Schrecken
Die Konservativen und Wirtschaftsliberalen werden nun eine Legende stricken: Jost Stollmann wurde von der SPD vor der Wahl benutzt, um in der „Neuen Mitte“ Stimmen zu sammeln, und, nachdem er diese Rolle gespielte hatte, kaltherzig abgeschoben. Ein abgekartetes Spiel, dessen Regeln natürlich der Lieblingsfeind der Rechten, Oskar Lafontaine, festlegte. Diese Lesart mag naheliegen; aber sie ist falsch.
Wer Stollmann fragte, wie seine Wirtschaftspolitik aussehen werde, was er im Osten zu tun gedenke, erhielt meist die gleiche Antwort. Konzepte gebe es doch schon reichlich, man müsse sie nur umsetzen. Diese Stollmannsche Standardformel offenbarte nicht nur dramatische Unsicherheiten in Sachfragen, sie faßte seine Botschaft zusammen: Geredet worden ist genug, nun müssen wir es anpacken. Da klang ein Pathos der Tat an, das man auch an manchen Stammtischen zu hören bekommt: Schluß mit dem Politikergeschwätz – durchgreifen!
Mag sein, daß man so Selfmade-Unternehmer wird. Ein Minister dagegen muß moderieren, pragmatisch aushandeln, argumentieren und vermitteln können. Also genau das tun, was Stollmann nicht kann. Denn er verfügt weniger über Argumente als über ein eigenwilliges, technologiefrommes Sendungsbewußtsein. Stollmann als Wirtschaftminister – das wäre die personifizierte Politikverdrossenheit am Kabinettstisch gewesen. Daß Stollmann überhaupt ins Gespräch kam, war kein gerissener SPD-Wahlkampfcoup, sondern aus der Not geboren. Schröder wollte unbedingt einen erfolgreichen Unternehmer vorweisen. Nachdem alle abgesagt hatten, blieb einer übrig: Stollmann.
Daß er nun verzichtet, hilft allen: Rot-Grün, dem Wirtschaftsministerium und auch Stollmann. Denn der wäre als Minister zur Lachnummer der Nation geworden, eine Art Heinrich Lübke im Yuppie-Gewand. Genutzt hat Stollmanns kurze politische Karriere übrigens ironischerweise der PDS. Ohne diesen stammelnden Neoliberalen hätten einige Traditionssozialdemokraten wohl nicht aus Protest PDS gewählt.
Stollmanns Verzicht ist keine Frage von links und rechts, sondern schlicht das Vernünftige. Der neoliberale Troubleshooter in der SPD wird, mit und ohne Stollmann, ohnehin Kanzleramtschef Hombach. Die Konservativen werden nun verbreiten, der wackere Gewährsmann der „Neuen Mitte“ sei von den Traditionsbataillonen der SPD geschaßt worden. Für die Opposition wäre der Minister Stollmann ein Geschenk gewesen. Kein Wunder, daß sie ihn schon jetzt heftig vermißt. Stefan Reinecke
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