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Pro & Contra PrüfungswiederholungEine Frage der Gerechtigkeit

Berlins Schulsenator Zöllner lässt zentrale Matheprüfung komplett wiederholen, weil ein Teil der Schüler die Aufgaben vorab kannte. Ist das gerecht?

PRO VON KRISTIONA PEZZEI

An 60 von 346 Berliner Schulen sollen sich Zehnklässler vorab die Matheprüfungsaufgaben besorgt haben. Das sind weniger als 20 Prozent. Lohnt es sich deswegen, alle mit einer Wiederholung der Prüfung zu "bestrafen", wie Schüler und Eltern es formulieren? Ja, es lohnt sich. Denn eine Neuauflage für alle ist die einzig gerechte Lösung.

Auch wenn jetzt einstige Schulbankdrücker ihre Anekdoten übers Abschreiben herauskramen nach dem Motto: "Wir haben doch alle geschummelt" - die jüngste Manipulation in Berlin lässt die Spickversuche früherer Generationen altbacken aussehen. Denn die Lösungen wurden nicht auf Klotüren oder mausgroße Zettelchen geschrieben, sie wurden aller Wahrscheinlichkeit nach übers Internet verbreitet. Somit ist es unmöglich, zu sagen, wie viele Schüler sich die kompletten Prüfungsaufgaben vorher besorgten. Wie also sollten Einzelfälle abgegrenzt und bestraft werden?

Zentral gestellte Aufgaben bedeuten, dass alle gleich behandelt werden. Das einheitliche Examen hat Aussagekraft für die Leistungen eines Schülers (und die des jeweiligen Lehrers). Und es soll ein Wegbereiter sein: Beim Mittleren Schulabschluss (MSA) handelt es sich nicht um eine wöchentliche Testreihe, in der sich die Schummeleien Einzelner übers Jahr hinweg ausgleichen. Der MSA ist für viele der entscheidende Abschluss. Mit der Durchschnittsnote stehen und fallen für viele Schülerinnen und Schüler die Möglichkeiten zur Weiterbildung und auf dem Ausbildungsmarkt.

Viele wissen um den Ernst der Prüfung, sie bereiten sich gründlich darauf vor. Wenn der 16-Jährigen, die sich monatelang redlich mühte, ein Platz an einer berufsbildenden Schule von einem Klassenkollegen weggeschnappt wird, der dank seiner illegal erschlichenen Mathenote den Schnitt heben konnte, dann ist das nur eins: ungerecht. Bestraft würden also jene, die nichts dafür können. Eine Wiederholung der Klausur für alle ist eine Chance auf Gerechtigkeit für die Zukunft der Schüler.

CONTRA VON GEREON ASMUTH

Es ist ein Skandal. Bei der Mathematikprüfung für alle Zehntklässler wurde massiv geschummelt. Einem Teil der Schüler waren die Aufgaben vorab bekannt. Das kommt immer vor. Zum Skandal wird die Panne erst, weil nun alle 28.000 Schüler die Klausur wiederholen sollen.

Solch eine Kollektivverurteilung widerspricht nicht nur der allgemeinen Rechtsauffassung. Sie erinnert an längst überwundene Zeiten, in denen der zu Recht noch Pauker genannte Lehrer die ganze Klasse bestrafte, wenn er eine Untat keinem einzelnen Schüler nachweisen konnte.

Zudem wird die Prüfungswiederholung keinen Deut gerechter. Denn Schüler mogeln immer. Und das nicht erst seit letzter Woche. Sicherlich lässt sich eine Handvoll Streber finden, die auch im hohen Erwachsenalter noch behaupten, alle Klausuren ohne unerlaubte Hilfe abgelegt zu haben. Alle anderen aber wissen mit Vergnügen von Spickzetteln und vorab "gefundenen" Aufgabenbögen zu berichten.

Natürlich ist jede Schummelei ungerecht. Deshalb gibt es die Regel: Wer erwischt wird, fällt durch. Dieses Risiko muss jeder Schüler abwägen - egal ob er mit handgeschriebenem Spickzettel oder mit Lösungen aus dem Internet in die Prüfung geht. Im Umkehrschluss aber heißt die Regel: Wem keine Mogelei nachzuweisen ist, dem müssen die Lehrer die Arbeit benoten.

Zugegeben: Zwei Dinge haben sich in den letzten Jahren geändert. Seit Einführung der Zentralprüfung interessiert der Aufgabenzettel nicht mehr nur 28 Schüler einer Klasse, sondern die 28.000 eines Jahrgangs. Und Dank moderner Kommunikationsmittel lassen sich solch heiße Infos schnell verbreiten. Doch früher waren vielleicht je 5 von 28 Schülern einer Klasse besonders vorbereitet. Selbst wenn es heute 5.000 von 28.000 eines Jahrgangs sind - das Verhältnis bleibt gleich. Das ist eine ganz einfache Rechenaufgabe.

Wer Angst vor einer Riesenpanne hat, darf kein Riesensystem wie die Zentralprüfung einführen. Wer sie haben will, muss mit dem Risiko leben.

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