Privatisierung: Bahn soll mit Volkswaggons fahren
Die SPD streitet weiter über die Bahnprivatisierung. Die Parteilinken schlägt eine sichere Rendite, dafür aber kein Stimmrecht für Aktionäre vor. Die Aktionärsvereiniung SDK lehnt das ab.
Bahnkunden sollen mehr Rechte bekommen. Kommt ein Zug im Fernverkehr mehr als eine Stunde zu spät, sollen sie 25 Prozent des Fahrpreises zurückbekommen, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Freitag in Berlin. Bei Verspätungen von über zwei Stunden sollen 50 Prozent des Fahrpreises erstattet werden. Bisher haben Kunden bei einer Verspätung von einer Stunde Anspruch auf 20 Prozent des Fahrpreises in Form eines Gutscheins. Der Fahrgastverband ProBahn nannte die Entschädigung "nicht ausreichend". Kunden sollten ab einer halben Stunde Verspätung entschädigt werden. AFP
Die Gegner der Bahnprivatisierung in der geplanten Form haben in der SPD einen Teilerfolg errungen. Zumindest wird das Privatisierungsgesetz von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nicht wie ursprünglich vorgesehen noch vor dem SPD-Parteitag durch den Bundestag gewunken. Das zeichnete sich am Freitag vor der Klausursitzung der SPD-Bundestagfraktion ab. Zwar betonte Fraktionsvorsitzender Peter Struck, dass die Teilprivatisierung "dringend nötig sei", weil die Bahn frisches Kapital benötige.
Der Parteivorsitzende Kurt Beck sagte aber, man wolle einen Weg beschreiten, der den Bürgern die Sorge vor der Bahnreform nehmen werde. Tiefensee erklärte, Finanzminister Peer Steinbrück werde den Vorschlag einer Volksaktie prüfen. Dieses Konzept stammt von der SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl, Andrea Ypsilanti, dem Umweltminister in ihrem Schattenkabinett Hermann Scheer sowie dem Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), früher selbst hochrangiger Manager bei der Deutschen Bahn. Ihre Idee: Die Aktien der Deutschen Bahn sollen nicht an internationale Großinvestoren, sondern vor allem an Kleinanleger verkauft werden. Um die Anteilsscheine für institutionelle Anleger unattraktiv zu machen, sollen die Aktionäre kein Stimmrecht bei Hauptversammlung erhalten. Die Macht bliebe also beim Bund.
Als Ausgleich sollen die Aktionäre allerdings eine garantierte Mindestverzinsung von 5 Prozent ihres eingesetzten Kapitals erhalten. Solche sogenannten stimmrechtlosen Vorzugsaktien sind an der Börse keine Rarität, Unternehmen wie Henkel oder Volkswagen haben zu einem hohen Anteil solche Papiere auf den Markt gebracht.
Und auch die Idee der Volksaktie ist nicht neu. So wurden in den 60er-Jahren Preussag, VW und Veba in dieser Form an die Börse gebracht. Damit gerade auch Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen zu Aktionären werden konnten, wurde ein Sozialrabatt auf den Kaufpreis gewährt. Der Wiederverkauf war an lange Sperrfristen gebunden, was diejenigen abschrecken sollte, die auf schnelle Rendite aus waren. All das unterscheidet dieses Modell der Volksaktie von der Privatisierung der Telekom, die ebenfalls als Volksaktie beworben wurde, tatsächlich aber eine normale Aktie mit entsprechendem Risiko war. Dennoch werde gerade die schlechte Erfahrung mit Telekom-Aktien dazu führen, dass Kleinanleger Papiere der Deutschen Bahn "nur mit spitzen Fingern" anfassen, sagte Reinhild Keitel, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK), der taz. Die Aktionärsvereinigung sieht börsennotierte Unternehmen unter staatlicher Kontrolle grundsätzlich skeptisch, so auch das Modell der Bahn-Volksaktie. Die Verzinsung von 5 Prozent sei nach Abzug der Inflationsrate von etwa 2 Prozent bescheiden, da könnte der Bund besser gleich eine Bahn-Anleihe begeben. Die Initiatoren fürchteten offenbar die Macht der Aktionäre, da sie ihnen kein Stimmrecht einräumten. Mit der Volksaktie würde die Bahn allenfalls formal privatisiert, sagt Keitel.
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