Prinzessin des Popcountryfolkblues: Tess Wileys Folkpop in der Weltbühne : Der Himmel ist blau, recht hat die Frau
Man sagt ja, es seien die kleinen Zufälle, die das Leben so schreibt, die für das große Glück verantwortlich zu machen sind. So euphorisch äußern sich die Macher des (kleinen) Hamburger Tapete-Labels über den glücklichen Umstand, die (große) Songwriterin Tess Wiley nun im Repertoire zu haben. Tatsächlich fehlte Tapete bisher ein wenig jener internationale Glamour, jener großkopferte Schick, den etwa die Berliner Plattenfirma Kitty Yo stets und über die Maßen pflegt. Jetzt stellt die Folkprinzessin aus dem texanischen Houston ihr zweites Soloalbum Not Quite Me in Deutschland vor.
Und wie klingt es? Ein bisschen nach Alanis Morisette im Indie-Pop- Kleidchen, wie eine Landpartie mit Mohnblumen und gelegentlichem Regenschauer. Da ist dieses Zittern in der Stimme, das nicht unpathetisch von den kleinen (und großen) Ungereimtheiten in Leben und Liebe erzählt. Aber auch Lloyd Cole & Co-Freunde des unbeschwert hüpfenden Gitarrenpopsongs werden es lieben, das schöne Wissen um den perfekten, Sie wissen schon, Pop-Moment.
Man kann Tess Wileys Popcountryfolkblues ein wenig brav finden, zu hübsch, viel zu oft gehört womöglich, vielleicht sogar allzu innerlich oder retrospektiv. Man könnte sich aber auch, gerade in dieser Juninacht, von so etwas noch mal das Herz brechen lassen. Oder man könnte mit Küchenphilosophie enden und Tess Wiley ein für alle mal Recht geben: „Grau ist der Hecht / Die Frau hat Recht / Der Himmel ist blau / Recht hat die Frau.“
Marc Peschke
Montag, 21 Uhr, Weltbühne