Prinzenrolle, Opferrolle etc.: Schokoladenonkel in Not
■ Ich war Bodyguardin bei Wiglaf Droste: Ein Bekenntnis
Natürlich hat er uns vier Mädels Schokolade versprochen, wenn wir ihn beschützen, sonst wäre ich nicht nach Oldenburg gekommen, wo man Drostes Lesung im Mai schon einmal abgesagt hatte. Nachdem sie nun doch stattfinden sollte, wurden Übergriffe aller Art befürchtet. Der Schriftsteller zieht Buttersäureattentate ja quasi magisch an und wurde in Hamburg von irgendwelchen Quatschköppen gar per Steckbrief gesucht. Jedenfalls tat mir der schmächtige, niedliche Lockenkopf leid, wie er dasaß und behauptete, trotz alledem kein Opfer zu sein: „Nee, wirklich nicht.“ Wer Opfer ist, wissen wir Damen nämlich immer noch am besten.
„Alle Schlampen mitkommen!“, trommelt Frl. C. die Oldenburger Zickentruppe zur Lagebesprechung zusammen. Der Ton unter professionellen Täterschützer-Schützerinnen ist rauh. Ich lerne, daß wir Störerinnen am Aussehen erkennen können und sie dann offenbar freundlich bitten müssen, nicht zu stören, damit die Sache klar geht. Und da stehen wir auch schon gut vorbereitet am Eingang: Frl. C. und Frl. B. haben rasch noch etwas Lippenstift aufgelegt. Frl. K dagegen kann Karate. Ich habe bloß eine Kosmetikallergie zu bieten.
Vor dem Eingang verwickeln Sozialpädagoginnen das Publikum in sonderbare Diskussionen, die meist darauf hinauslaufen, daß man Rassisten doch auch nicht ungestört lesen lassen würde. Dummerweise ist Wiglaf gar kein Rassist und auch, liebe Mädels, kein Sexist usw. Doch das will ja schon lange keine mehr wissen.
Ich möchte hier eigentlich nichts gegen Wiglaf Droste schreiben, aber eins muß mal gesagt sein: der Mann hat ein sonderbares Publikum. Die sehen fast alle so aus, als ob sie mich gleich verhauen wollen. Dennoch lassen sich die Störerinnen leicht daran erkennen, daß sie sofort bockig werden, wenn wir Zicken (immer freundlich) mal in ihre Taschen gucken möchten. Sie benehmen sich, als würden wir ihre Grundrechte mit ungewaschenen Füßen treten. Lautstark verlangen sie ihr Eintrittsgeld zurück. Als sie es umstandslos bekommen, ist die Luft natürlich raus.
Tatsächlich bleiben sie dann draußen und pfeifen und trampeln vor der Tür, hauen auch kräftig dagegen. So ähnlich verhält sich meine dreijährige Nichte, wenn sie keine Schokolade kriegt. Ja, denke ich, das ist wohl alles auch ein Generationskonflikt. Frl. K. möchte jetzt unbedingt ihr Karate vorführen, doch sind die Leute meiner Ansicht nach schon gestraft genug, wenn sie in ihrem eigenen Krawall herumstehen müssen. Nach ein paar Minuten geben sie auf (wieder: wie meine kleine Nichte).
Eine hat noch auf die Klotür geschrieben „Droste ist Sexist“, aber irgendwann wird „Droste ist süß“ draus. Solange sie Wiglaf nicht bemalen, soll es mir recht sein. Für Schokolade tue ich nämlich alles. Susanne Fischer
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