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Prince Nico vor Armagedon

Pferde-Rennen auf der Bremer Galopprennbahn: Zuschauen ist hier nur Zeitvertreib, spannend wird’s erst beim Wetten. Denn: Ohne Feldstecher ist sowieso kaum was zu sehen

Der Wallach hat den Weg zum Start mit dem eigentlichen Rennen verwechselt

Die alte Dame auf dem Zuschauerrasen ist sich sicher: „Ohne Wetten macht das keinen Spaß.“ Nervös trippeln „Hanseat“, „Notenset“, „All for Caroline“ auf das Geläuf, vulgo Rennbahn. So ist das auf der Bremer Galopprennbahn in der Vahr.

Mit vereinten Kräften gelingt es den Helfern, auch das letzte Pferd in die „Startermaschine“ zu bugsieren, die ein Traktor auf die Bahn geschoben hat. „Alles klar?“, ruft einer, da klappen die vorderen Tore bereits auf. Wie von der Tarantel gestochen rasen die Pferde los, die leichtgewichtigen Jockeys in Hockstellung obendrauf. Sekunden später sausen sie an der Tribüne vorbei.

Wer jetzt noch etwas sehen will, braucht einen Feldstecher – oder einen Fernseher, wie sie auf der Tribüne oder bei den Wettschaltern hängen. Alle anderen müssen die Ohren spitzen: Ständig gibt der Kommentator per Lautsprecher die Position der Pferde durch, die auf der anderen Seite des Platzes galoppieren. Schon laufen sie in die Zielgerade ein. Jetzt geht das Rennen erst richtig los: Wie besessen schlagen die Jockeys mit ihren Gerten auf die Tiere ein, im Sprint zieht „Prince Nico“ an „Armagedon“ vorbei: Der Favorit rennt erst als Zweiter ins Ziel. Als „Prince“ und sein Reiter nach einer Auslaufrunde dreckbesudelt von der Bahn trotten, gibt es verhaltenen Applaus.

An warmen Sommertagen drängen sich manchmal Tausende Wett- und Pferdefans auf dem Gelände. Heute, wo die Rennbahn in der Vahr mit den „Euroclassics“ in der Stadthalle konkurrieren muss, ist die Tribüne selbst während der Rennen nur halb voll, die Blasmusik beim Biergarten will kaum einer hören, der Andrang an den Wettschaltern hält sich in Grenzen.

Ein Blick auf die Kennzeichen der Autos auf dem Parkplatz verrät: Der Großteil des Publikums kommt aus Bremen und umzu. Er liebe „die Atmosphäre hier, die frische Luft“, erklärt ein pensionierter Angestellter, der seit 50 Jahren Rennen besucht. Bis zu 40 Euro verwettet er jedes Mal – meist ohne zu gewinnen. Dennoch betont er: „Zocken ist was anderes.“

Die echten Profis sind unten vor den Wettschaltern zu finden. Dort flimmern auch die Rennen in anderen Städten über die Monitore. Wer das Wett-Hobby ernsthaft betreibt, kennt Pferde, Trainer und Jockeys, verfolgt jedes Rennen im Fernsehen und studiert eifrig die Tipps in den Fachzeitungen. „50 Prozent Glück, 50 Prozent Erfahrung ist das“, sagt ein 28-jähriger Einzelhandelskaufmann aus Wehye, der schon mehr als die Hälfte seines Lebens auf Pferde wettet. Sein Gesamteinsatz pro Renntag liegt bei 200 Euro. „Viel ist das eigentlich nicht.“

Die 30-jährige Pädagogin Anne aus Bremen kommt nur gelegentlich auf die Bahn – „zum Zeitvertreib“. Eine Wettstrategie hat sie nicht: „Ich kucke einfach mal auf die Quoten.“

Inzwischen hat sich eine neue Pferde-Riege auf dem Rasen eingefunden. „Bitte nicht applaudieren“, schallt es aus dem Lautsprecher, kurz bevor „Eskimo“ an der Tribüne vorbeirast. Der 9-jährige Wallach hat den Weg zum Startplatz mit dem eigentlichen Hürdenrennen verwechselt und galoppiert jetzt außerplanmäßig zwei Runden um den Platz. Klatschen würde ihn wohl völlig außer Rand und Band bringen. Kann passieren. Eine erfahrene Zuschauerin: „Bei dem haben wohl die Bremsen versagt.“

Armin Simon

Nächster Renntag: 27. Oktober.

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