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Pressevielfalt schwindet im NordenTotale Vereinheitlichung

Sparmaßnahmen bei Verlagen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern: Dass die Pressevielfalt im Norden immer weiter abnimmt, ist jetzt auch wissenschaftlich belegt.

Die Rostocker Ostsee-Zeitung und die Lübecker Nachrichten haben schon länger eine gemeinsame Redaktion für den überregionalen Teil. Bild: screenshot: ostsee-zeitung.de

Die Presselandschaft im Norden Deutschlands übersichtlich zu nennen wäre eine Untertreibung: Sie ist höchst übersichtlich, und selbst das letzte bisschen Vielfalt ist in Gefahr. Der Schulterschluss von Verlagen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, so eine aktuelle Studie der Uni Hamburg, dünnt die journalistischen Angebote immer weiter aus.

Die Rostocker Ostsee-Zeitung und die Lübecker Nachrichten haben schon länger eine gemeinsame Redaktion für den überregionalen Teil, den sogenannten Zeitungsmantel. Seit 1. April kommt auch der Mantel des Nordkuriers nicht mehr wie das Blatt selbst aus Neubrandenburg, sondern aus der Landeshauptstadt Schwerin. Dort sitzt die Firma MV:M Mantelredaktion GmbH, eine Ausgründung der Schweringer Volkszeitung, die neben ebendiesem Blatt jetzt auch den Nordkurier bestückt.

Ganze vier RedakteurInnen sind von Neubrandenburg zur MV:M gewechselt, die restlichen zehn machen am alten Standort unter anderem regionale Sportseiten sowie Service- und Autoseiten. "Im Verlagshaus in Neubrandenburg macht sich Einsamkeit breit", lästert ein Insider, und außerhalb der Regional- und Lokalseiten tauchten "nur noch sporadisch Beiträge aus der Feder von Nordkurier-Mitarbeitern auf".

Außerdem vergibt der Nordkurier (Mitgesellschafter: die Kieler Nachrichten aus Schleswig-Holstein) keine Aufträge mehr an Freie und nimmt auch keine Text- und Bildangebote mehr von ihnen an. Die Freien müssen sich vielmehr "zwingend", wie es im neuen Vertrag für freie Mitarbeiter heißt, auf einer Online-Plattform registrieren, wo dann die Artikel- und Fotoaufträge ausgeschrieben werden. "Die freien Journalisten können sich dann bewerben und ein Honorarangebot abgeben. Voraussetzung dafür ist, dass sie vorher einer Rahmenvereinbarung zustimmen, mit der sie Rechte für alle Nutzungsarten an den Verlag abtreten", kritisiert der Deutsche Journalistenverband. Von "Urheberpiraterie" sprechen die Betroffenen.

Die Quittung für solche redaktionellen Sparmaßnahmen bekommen die betroffenen Blätter am Samstag beim Pressetag in Schwerin (Info und Anmeldung www.qualitaet-und-vielfalt-sichern.de) präsentiert: Eine Untersuchung des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg hat in einer Stichtagsuntersuchung der großen Titel in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einen Trend zur "totalen Vereinheitlichung" festgestellt. "Denn die Annahme, in den überwiegend aus Agenturmaterial zusammengestellten Zeitungsmänteln stehe ohnehin dasselbe, sodass man hier problemlos aus zwei eins machen könnte, trifft schlicht nicht zu", sagt Studien-Autorin Elke Grittmann: Knapp 60 Prozent der in der Stichtagssammlung untersuchten Themen bei den ausgewerteten sechs Zeitungen kamen nur in jeweils einem Titel vor. "Hier werden durchaus eigene Themen gesetzt, auch wenn es sich nur ganz selten um selbst recherchierte Geschichten handelt." Durch die Zusammenlegung von Mantelteilen drohe "monopolistische Einfalt", sagt Grittmann: "Das ist kein gradueller Unterschied, hier geht grundsätzlich etwas verloren".

Und auch im Regionalen bzw. Lokalen finden aufwändige Recherchen, Interviews und Features kaum noch statt: "Es ist ein Zeitproblem und Ressourcenproblem", so Grittmann: Für Qualitätsjournalismus reiche es kaum mehr, "man sieht zwar noch das Bemühen, aber das Ergebnis ist mäßig".

Kein Wunder: "Wir kleistern nur noch die Zeitung zu und haben keine Zeit mehr, Geschichten zu machen", heißt es bei vielen MitarbeiterInnen.

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