piwik no script img

Pressefreiheit in WeissrusslandJournalist tot aufgefunden

Der Journalist Oleg Bebenin soll sich erhängt haben. An einen Suizid glauben viele nicht. Dass Kritiker des Lukaschenko-Regimes sterben oder verschwinden, hat traurige Tradition.

Hatte kein Mangel an Feinden: Der kritische Journalist Oleg Bebenin während einer Festnahme in Minsk. Bild: dpa

BERLIN taz | Der weißrussische oppositionelle Journalist Oleg Bebenin, Gründer und Chefredakteur des bekannten Webportals "Charta 97" und zentrale Figur im Team des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Andrei Sannikow, wurde am Freitag tot auf seiner Datscha in der Nähe von Minsk aufgefunden. Er soll sich erhängt haben, berichtet Staatsanwalt Sergei Kowrigin laut der russischen Agentur Interfax. Gegenüber "Echo Moskau" verwehrte sich hingegen eine langjährige Kollegin des Toten, Natalja Radina, gegen die Version des Selbstmordes. Eine Woche vor seinem Tod sei der Vater von zwei Söhnen mit seiner Familie aus Griechenland zurückgekehrt, noch am Tag des Todes sei er fröhlich, gesund und voller Pläne gewesen.

Es sei schon merkwürdig, vermerkt Dmitri Bondarenko auf der Seite der "Charta 97", dass der Tod von Oleg nach Angaben der Staatsanwaltschaft und der Miliz am 3. September um 14 Uhr eingetreten sei, während die Todesbescheinigung, die den Angehörigen ausgehändigt wurde, den 2. September als Todestag angibt.

Bebenin, der an der staatlichen Universität in Weißrussland sein Journalismus-Studium beendet hatte, brauchte über einen Mangel an Feinden nie zu klagen. 1997 war er von Unbekannten entführt und nach Drohungen wieder freigelassen worden. 1999 war Bebenin, so die in Großbritannien ansässige Menschenrechtsorganisation "Index on Censorship", von Rechtsradikalen offensichtlich auf Anweisung des KGB schwer zusammengeschlagen worden. Mike Harris, Public-Affairs-Manager von "Index on Censorship", der sich derzeit in Belarus aufhält, will nicht an Selbstmord glauben. Noch für Sonntag sei er mit Bebenin verabredet gewesen. Und wenige Stunden vor seinem Tod noch habe sich Bebenin mit Freunden zum Besuch eines Kinos verabredet.

Der Tod von Oleg Bebenin ging wie ein Lauffeuer durch die Internetforen Weißrusslands. Viele Blogger fühlten sich sofort an das spurlose Verschwinden des Fernsehjournalisten Dmitri Sawadski im Juli 2000 und den bis heute nicht aufgeklärten Mord an der Journalistin Weronika Tscherkassowa 2004 erinnert. 1999 und 2000 waren zudem die führenden Oppositionsvertreter Wiktor Gontschar, Anatoli Krasowski und Juri Sacharenko sowie der Fernsehjournalist Dmitri Sawadski spurlos verschwunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • O
    Otto

    Der angegebene Link verweist auf eine alte Version der Seite Charter'97, hier bin ich fündig geworden:

    http://www.charter97.org/en/news/

  • B
    Bate

    Na klar, er hat sich erhängt, genauso, wie sich damals Tron in Berlin erhängt hat, gefriergetrocknet und mit dem Mageninhalt von drei Tagen zuvor.

    Es sind wieder staatliche Mörder unterwegs...

  • C
    czechmate

    insbesondere bezüglich der demokratischen opposition, die in belarus eng mit der herausbildung einer eigenen nationalen identität verbunden ist, wäre die verwendung der belarussischen statt russischen vor- und nachnamen durchaus angebracht (wie u.a. auch in wikipedia).

    also: Aleh Bjabenin, Viktar Hanchar, usw.

    ansonsten aber lob an die taz. den meisten anderen deutschen zeitungen war dies keine meldung wert...