piwik no script img

Press-SchlagDer Staat darf sich nicht selbst auswechseln

GERICHT Der Fußball tut doch längst alles, um Fans das Leben schwer zu machen. Warum soll er sogar die Polizei bezahlen?

Die Deutsche Fußballliga muss also nicht für Polizeieinsätze bei besonders brisanten Partien bezahlen. So hat zumindest das Bremer Verwaltungsgericht in erster Instanz entschieden. Die DFL hatte sich gegen einen Gebührenbescheid gewehrt, den das Land Bremen ihr zugestellt hatte.

Im Sinne einer plumpen Logik empörter Steuerzahler ist das Urteil ein Ärgernis. Nach der wäre es nur richtig, wenn der immer reicher werdende Profifußball für die Kosten aufkommt, die im Zusammenhang mit den von ihm veranstalteten Spielen entstehen. Ist schon richtig: Hätte der Hamburger SV nie gegen Werder Bremen gespielt, dann wäre so manche Einsatzstunde bei der Polizei gar nicht erst angefallen. Im Sinne dieser Logik gehört so ein Spiel dann am besten gleich ganz verboten. Das kostet dann nichts.

Aber ist der organisierte Fußball, wenn er die Spiele von Liga oder Pokalwettbewerb veranstaltet, damit auch Ausrichter der Auseinandersetzungen zwischen den Fans? Ist die DFL quasi die Schlachtenlenkerin in den Fankriegen, wie sie zwischen Anhängern von Borussia Dortmund und Schalke 04 oder Hannover 96 und Eintracht Braunschweig regelrecht zelebriert werden? Wohl kaum.

Kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fangruppierungen, sind die Funktionäre von DFB, DFL und Profivereinen immer die Ersten, die behaupten, bei den Beteiligten handle es sich um Verbrecher, die mit sportlichem Wettstreit rein gar nichts am Hut hätten. Das Wort Fans wird dann in Anführungszeichen gesetzt. Und mit Fußball hat das auch nichts zu tun, heißt es sogar im Sportjournalismus.

Wer das Abbrennen pyrotechnischer Erzeugnisse für eine stimmungsvolle Art hält, die Kurve einzufärben, der wird von den Klubs beäugt wie ein Schwerverbrecher. Und auch, wer ein kritisches Transparent in der Kurve hochhält, muss damit rechnen, mit einem Stadionverbot belegt zu werden, selbst wenn er auf seine Tapete nicht viel mehr geschrieben hat als „Scheiß DFB!“

Der organisierte Fußball tut beinahe alles, um sogenannten Problemfans, die er nicht einmal als Bestandteil des großen gesellschaftlichen Spektakels Fußball zu akzeptieren bereit ist, Probleme zu machen. Er erstellt Sicherheitskonzepte, die nur einen Schluss zulassen: Der Fußball ist längst Freund und Helfer der Polizei. Was soll also dieses Einklagen von Geld?

Entschieden ist nach dem Bremer Urteil noch nichts. Nicht nur, weil beide Seiten in die nächste Instanz gehen wollen. Auch weil die Vorsitzende Richterin ihr Urteil mit Mängeln bei der Gebührenfestsetzung begründet hat: Dem Gericht ging es gar nicht um die Frage, ob das Land solche Gebührenbescheide verschicken darf, sondern bloß darum, dass die von den Bremer Beamten gewählte Berechnungsmethode zu unbestimmt sei. Was im Urteil nicht steht, hatte die Richterin während der Verhandlung schon bestätigt: Solche Bescheide seien ihrer Meinung nach im Einklang mit der Verfassung.

Gut möglich also, dass die Politik doch noch durchkommt. Aber wenn randaleorientiertes Fanverhalten zur Jugendkultur wird, ist das ein gesellschaftliches Problem, für dessen Lösung es ohnehin mehr braucht als polizeiliche Maßnahmen. Hier ist der Staat in der Verantwortung. Die sollte er doch bitte nicht privat wirtschaftenden Unternehmen wie den Profiklubs der Bundesliga zuschieben.

Andreas Rüttenauer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen