Press-Schlag: Pound zeigt Muskeln
■ Die Olympier vom IOC dominieren bei der Gründung der Anti-Doping-Agentur
Wenn Barry McCaffrey, oberster Drogenbekämpfer der US-Regierung, nicht müde wird zu kritisieren, dass die am Mittwoch gegründete Anti-Doping-Agentur (Wada) zu nahe am Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gebettet sei, kann man ihm das kaum übel nehmen. Schließlich hat das IOC in dieser Angelegenheit bislang bekommen, was es wollte. Der vorläufige Standort der Agentur ist der IOC-Sitz Lausanne, und der Vorsitzende soll zwar nicht IOC-Präsident Juan-Antonio Samaranch sein, wohl aber Vizepräsident Richard Pound.
Auch die Namen der übrigen Stiftungsrat-Mitglieder aus den Sportorganisationen sind nicht gerade dazu angetan, misstrauische Geister zu beruhigen. Als IOC-Repräsentanten wurden neben Pound und dem renommierten Dopingbekämpfer Arne Ljungqvist entsandt: Prinz Alexandre de Merode, langjähriger Chef der medizinischen Kommission des IOC und in dieser Funktion des öfteren ins Zwielicht geraten, sowie Jacques Rogge, ein weiteres Mitglied der IOC-Exekutive. Und als ein Vertreter der Sportverbände wurde ausgerechnet Radsport-Präsident Hein Verbruggen erwählt, dessen Organisation eine lange, dunkle Geschichte unterlassener Dopingbekämpfung vorzuweisen hat.
Neben je einem Vertreter der EU und der afrikanischen Staaten sollen auch Abgesandte von Regierungen präsent sein, wenn es nach Richard Pound geht, allerdings nur aus Austragungsländern Olympischer Spiele. „Ich bin gewiss nicht der Meinung, dass die USA oder irgendeine andere Regierung das Recht auf einen festen Platz haben“, lässt er munter die Muskeln spielen. Der IOC-Vize hatte schon im Februar, als die Agentur projektiert wurde, keinen Zweifel daran gelassen, dass das IOC seiner Meinung nach gut auf die Politiker verzichten kann. Und wenn sie mitreden wollen, dann sollen sie, bitte schön, auch zahlen. Bisher stehen der Agentur, die ihre Arbeit im Januar aufnimmt und vor allem weltweite Trainingskontrollen durchführen soll, 25 Millionen Dollar vom IOC zur Verfügung. „Die ersten beiden Jahre tragen wir die Last“, bekräftigte Pound jetzt seinen Standpunkt, „dann muss jeder den gleichen Preis für einen Platz am Tisch zahlen.“
Während sich die EU-Kommission zurKooperation bereit erklärt hat, stehen die USA mit Barry McCaffrey abseits. Allerdings hat Letzterer seinen Ton etwas gemäßigt. Bezeichnete er das IOC noch vor kurzem gern als „Gruppe von selbst ernannten Leuten, die sich hinter einem Mythos verstecken“ und Samaranch als „alten Faschisten“, zeigt er sich nun kooperativer. Man müsse die Sache „auf lange Sicht besser machen“, kommentierte er die Gründung der Agentur, nannte sie aber immerhin „einen Anfang“. McCaffrey hat offenbar gemerkt, dass es nicht ratsam ist, das Mundwerk gar zu weit aufzureißen, wenn man ein Land repräsentiert, welches nicht gerade den besten Ruf bei der Dopingbekämpfung genießt. Richard Pound zögert natürlich nicht, den Finger genau in diese Wunde zu legen. „Die USA seien „ein sehr wichtiges Land“, sagt der Kanadier, „ein Land, in dem es beträchtliche Sorgen bezüglich des Dopings gibt“.
Doch auch der Ton von Pound ist moderater geworden. Vor gar nicht langer Zeit hatte er McCaffrey noch einen Brief geschrieben, den dieser schlicht als „beleidigend“ empfand. „Wir ziehen die Sache durch, ob mit oder ohne Regierungen“, hatte es da barsch geheißen. „Ich bin sicher, wir haben dieselben Ziele“, säuselt er jetzt erheblich verbindlicher.
Die höfliche, jedoch resolute Haltung Pounds drückt aber auch das neue Selbstbewusstsein des IOC aus. Nachdem die allseits geforderten Reformen auf den Weg gebracht wurden, hat das Komitee wieder Oberwasser. In Salt Lake City stellte Franklin Servan-Schreiber, nach Aufdeckung des Skandals um die Olympia-Bewerberstädte eilig zum PR-Chef des IOC ernannt, am Mittwoch die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage vor. Diese besagen, dass die Olympischen Spiele nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt haben. Und der Korruptionsskandal ist in der Diktion des IOC-Propagandisten inzwischen längst zu einer simplen „Medienkrise“ geschrumpft.
Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen