Press-Schlag: Ohne Dreckschwein
■ Hannover 96 ist bundesligatauglich
Eine bundesligareife Leistung wurde der Regionalligamannschaft von Hannover 96 bescheinigt, als diese vergangene Woche die Münchner Löwen mit 2:1 aus dem Pokal kickte. Sicher erstligareif ist, was sich seit dem Sommer außerhalb des Spielfelds abspielt.
Kaum einen Monat im Amt, feuerte der als Sanierer angetretene neue Präsident Utz Claassen, der hauptberuflich ein Unternehmen für Medizintechnik leitet, am 14. August den beliebten Manager Franz Gerber mit der Begründung, der habe sich im Prämienpoker – Claassen wollte von den vor der Saison vereinbarten 900 Mark pro Mann und Punkt runter – auf die Seite der Spieler gestellt. Zwei Tage später, nach dem spektakulären Pokalerfolg gegen Borussia Mönchengladbach (6:4), gab es jene noch spektakulärere Pressekonferenz, bei der sich die 96-Kicker durch die Menge drängelten und in Fußballschuhen und verschwitzten Trikots „Wir wollen Gerber“ skandierten.
Wiederum einige Tage darauf – Gerber hatte inzwischen vom Vereinsboß ein Hausverbot erteilt bekommen und seinerseits gegen die Kündigung geklagt – erschütterte ein Abhörskandal den Verein. In der Geschäftsstelle tauchte eine Kassette mit dem Mitschnitt eines Telefonats zwischen Trainer Reinhold Fanz, der sich ebenfalls auf die Seite Gerbers geschlagen hatte, und einem nicht bekannten Gesprächspartner auf. Wann das Gespräch mitgeschnitten wurde und vor allem von wem, blieb unklar. Fanz – „So was kannte ich bisher nur aus Krimis“ – erstattete Anzeige bei der Polizei. Und erinnerte sich plötzlich daran, Claassen habe ihm gesagt, er wolle eine Wanze in das Handy von Gerber einbauen.
Unentschieden ging vergangene Woche eine kurzfristig anberaumte Partie vor dem Arbeitsgericht Hannover aus: Gerber durfte Vereinshaus und Stadion in seiner Funktion als Manager nicht mehr betreten, wohl aber als Vorstandsmitglied. Und die Spieler baten Ministerpräsident Schröder in einem offenen Brief um Hilfe gegen Claassen, der sich, in Interviews weiter Durchhalteparolen ausstoßend, in Hannover nur noch mit Bodygards blicken ließ.
Die 96-Gemeinde fieberte nun der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Freitag entgegen. Dabei ging es dann turbulent zu: Claassen sagte in seiner Abschiedsrede, der Verein müsse künftig nun „ohne ein Dreckschwein wie mich“ auskommen, und die Versammelten wählten mit Martin Kind einen anderen Unternehmer zum Chef. Der bestellte Gerber wieder zum Manager.
Alles wieder gut? Wohl nicht. Darum kommt auch der neue Vorstand nicht herum: Hannover 96 hat sieben Millionen Mark Schulden. Und tiefrote Zahlen lassen sich nicht einfach umdribbeln. Reimar Paul
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