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■ Press-SchlagSportliches Dilemma

Frankfurt/Main (taz) – Der Bild-Fotograf war ganz verzweifelt: „Gibt's denn hier keinen Schwarzen, der sich mal vor das Plakat stellen kann?“ Tatsächlich schien es anfangs so, als wenn diese Sportgala gegen Fremdenhaß mal wieder typisch deutsch werden würde – nämlich ohne ausländische Mitbürger und Gäste. Glücklicherweise trog der erste Eindruck. Unter dem Motto „Mit Hand und Fuß gegen Fremdenhaß“ hatte sich eine beeindruckende Zahl an Sportlern und Musikern aus aller Welt in der Frankfurter Festhalle versammelt. Trotz des Mammutprogramms dürfte sich keiner der etwa 8.000 Zuschauer gelangweilt haben. Die Hochsprungasse Heike Henkel, Carlo Thränhardt, Galina Astafei und Juri Sergienko etwa zeigten, daß sie auch talentierte Basketballer sind. Olympiasieger Dieter Baumann wiederum war so begeistert von der Darbietung des Frankfurter Kurorchesters, daß er seine Laufbahn verließ, um den Refrain von „Everybody Needs Somebody“ mitzusingen. Er war es auch, der im Gespräch mit Moderator Jürgen Emig klarstellte: „Ausländerfeindlichkeit abzulehnen ist keine besondere Form des sozialen Engagements, sondern eine Selbstverständlichkeit.“

Jimmy Hartwig war bisher der einzige farbige deutsche Fußballnationalspieler. Er mischte zusammen mit Jürgen Grabowski und Karl Allgäwer beim Duell der beiden Frankfurter Frauenfußballteams, den Bundesligisten FSV und SG Praunheim, mit. Auf die Frage an Hartwig, warum er es nur zu drei Länderspielen gebracht hat, meinte er: „Ich habe mich geweigert, meine Haare blond färben zu lassen.“

Doch gerade Leute wie Hartwig zeigen das Dilemma der Initiative „Sportler gegen Fremdenhaß“. Sportler nehmen eine privilegierte Stellung ein und zeigen vor allem das, was in Deutschland als einziges Duldungskriterium gilt – sie bringen „Leistung“. „Wir als Sportler sind selten die Opfer und Sie als Zuschauer hier auch nicht die eigentlichen Ansprechpartner. Aber wir können mit dieser Aktion Solidarität mit jenen zeigen, denen es wirklich dreckig geht“, ordnete Carlo Thränhardt den Stellenwert der Sportgala ein. Wie der Alltag tatsächlich aussehen kann, stellte der Kabarettist Michael Quast auf den Punkt gebracht dar. In Form einer Fußballkonferenzschaltung simulierte er eine Live-Übertragung von verschiedenen Ausschreitungen gegen Ausländer. Seine Satire unterschied sich kaum noch von der momentanen Wirklichkeit.

Man mag über den Sinn solcher Goodwill-Aktivitäten streiten – bei den Sportlern jedenfalls waren die Begeisterung und der Spaß an der Sache nicht zu übersehen. Selbst Stars wie Heike Henkel oder Katarina Witt verschwanden nicht gleich nach ihrem Auftritt wieder durch den Hintereingang, sondern applaudierten ihren nachfolgenden Kollegen. Katarina Witt hatte sich zuvor als Torfrau im Team der Frankfurter Eishockeylokalmatadoren, den „Löwen“, profiliert. Die spielten Hockey gegen eine bundesdeutsche Auswahl, die im Gegenzug Schwimm-Olympiasiegerin Dagmar Haase im Tor aufbot. Und sogar BAP überraschten positiv an diesem Abend. „Südstadt-Dylan“ Wolfgang Niedecken fand zum Abschluß der vier Stunden ein paar treffende Worte zu Sinn und Unsinn solcher Benefizaktionen: „Mit diesen Goodwill- Geschichten muß langsam Schluß sein. Wir halten doch nur als Alibi für die Politiker her, um nach außen hin Friede, Freude, Eierkuchen zu demonstrieren. Gleichzeitig wird das Asylrecht abgeschafft und ein Schutzgürtel zur Abwehr von Flüchtlingen errichtet. ,Mein Freund ist Ausländer‘ ist zuwenig – ,Mein Freund ist Asylbewerber‘ müssen wir den Politikern klarmachen.“ Lediglich die Eintracht-Fans machten in ihrem Sketch eine Ausnahme geltend: „Wir sind offen für alle Farben – außer für die Offenbacher Kickers!“ Matthias Kittmann

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