■ Press-Schlag: Idioten-Verschwörung
Stuttgart (taz) – Keine Frage, es wäre sicher von nicht unerheblichem Interesse für den Tennisinteressierten gewesen, gestern nachmittag ein Endspiel zwischen dem besten deutschen Tennisspieler aller Zeiten, dem Monegassen Boris Becker, 25, und dem zweitbesten, Michael Stich, 24 und aus Elmshorn, anzukucken. Noch dazu, wo es um– zum unmittelbaren Überleben zwar nicht unerläßliche, aber doch reizvolle — 355.000 US-Dollar ging.
Wer nun aber aus Boris Beckers infektbedingtem Aussteigen vor dem Samstagshalbfinale schlösse, daß der Showdown somit ausgefallen sei, liegt dennoch reichlich falsch. Der hat sehr wohl stattgefunden. Die ganze Woche. Nur nicht auf dem Nebenschauplatz Spielfeld. Gewonnen hat allerdings, soweit man das bisher übersehen kann, niemand.
Von den Beteiligten. Diejenigen aber, die das bisweilen doch reichlich einfältig-dröge Hin und Her der Öffentlichkeit als überlebensgroße Lindenstraße zu präsentieren pflegen, konnten die sich vor begeisterter Aufregung feuchten Hände reiben: Die intrigenreiche Geschichte von der Antipathie der Tennisspieler B. und S. schlägt alles Dagewesene, stellt Langweiler von minderem Unterhaltungswert (Effenberg vs. Vogts, Lattek vs. Longdrink, Daum vs. alle) lässig in den Schatten.
Das war aber auch eine Inszenierung! Australische Exposition: Tennisspieler B. verweigert aus (vermeintlich) niederen Gründen das nationale Davis- Cup-Engagement. Mittelteil (etwas langatmig): Tennisspieler S. ist erbost, B. spielt vielleicht zu gegebener Zeit doch, aber dann spielt S. nicht etc. Und dann die Stuttgarter Klimax: Geheimverschwörung gegen den Tennisspieler B.! Wie B. völlig aufgelöst zu berichten wußte, hatte sich Kontrahent S. mit einem Mitspieler (Deckname: „Charly“, Motto: Augen zu, Ohren zu und durch) und dem DTB-Generalsekretär Sanders (Motto: dito) in Mailand verschworen, um dem Renegaten B. den Stuhl vor die (diesjährige) Davis-Cup-Tür zu setzen. Dabei hatte der das doch schon selbst besorgt (vgl. Prolog). Ganz oder gar nicht (vgl. Mittelteil), verlangte nun S. Oder auch nicht. Bisweilen. Jedenfalls sagen die vermeintlichen Verschwörer: Wir haben nur gefrühstückt in Mailand. Und B. nun wieder: Zufällig? Alle zur gleichen Zeit? Und die nun wieder: Gut möglich, wir wohnten doch im selben Hotel. Ich, erinnert sich zum Beispiel ab und an der Spieler „Charly“, kam zufällig vorbei. Dem B. erzählt er aber von einem Papier und daß ihn S. zwinge, es zu unterschreiben. Es gibt aber dieses Papier nicht. Sagt der DTB, sagt („bodenlose Frechheit“) S., sagt „Niki“. Der sagt auch, B. habe im Sommer die Teilnahme eigentlich zugesagt. Zum Spieler B. aber hat er gesagt, er müsse um des lieben Friedens willen so reden, damit Spieler S. sich nicht ärgere. Schließlich sagt „Niki“ gar nichts mehr und danach, daß er das so verstanden habe, als würde B. spielen. Oder auch, daß er falsch ausgelegt worden sei, Sprachprobleme habe, und zum guten Schluß, daß B. nie „kategorisch“ gesagt habe, er tue mit. Jedenfalls habe es mit Sicherheit kein konspiratives Treffen gegeben! Das sagt er allen. Nur B. nicht. Dem erzählt er, man habe sich verschworen.
DTB-Chef Stauder, wird nun allenthalben gefordert, müsse ein Machtwort sprechen: Das tut er, indem er feststellt, er sehe keinen Anlaß zur Intervention. In größter Verzweiflung fragt man den Spieler B., ob er sich nicht mit S. an einen Tisch setzen wolle. B. sagt, daß das nichts nütze, weil er S. längst nicht mehr folgen könne. Auch S. redet zwar mit B., allerdings nur Sachen wie „Grüß Gott“ und „Ade“.
Am Ende passiert das Wunder: Eine sogenannte „Zeitung“ schreibt in den dickstmöglichen Buchstaben: „Haß, Intrigen, gemeine Gerüchte“ und hat ein einziges Mal tatsächlich die Wahrheit erwischt! Das vorletzte Wort hat B.s Freundin, die mitgekriegt hat, daß B. durch „die ganze Sache sehr bedrückt“ ist. Die Gattin von S. kann nicht kontern, sie hat denselben Infekt wie Spieler B., was S. (nach einigem Nachdenken) vollends zum Überschnappen bringt: „Zu diesem Thema sage ich nichts mehr“, schnaubt er, wiegelt aber etwaigen Verdacht, es habe ein Geheimtreffen zwischen den beiden gegeben, in dem unterschrieben worden sei, daß er, S., in diesem Jahr nicht mehr zum „Einsatz“ kommen dürfe, als „Hirngespinste“ ab.
Das letzte Wort hat dann der Kardiologe Dr. Zieger. Jener konstatiert nämlich nach eingehender Untersuchung des Spielers B.: „Ich habe ihm dringend empfohlen, seinen Hausarzt aufzusuchen.“ Der Spieler S. bleibt dagegen zunächst einmal ohne ärztliche Bertreuung. Peter Unfried
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen