■ Press-Schlag: Ein Lauf über Grenzen
Laufen gegen Fremdenhaß? Kilometer um Kilometer rennen, von Deutschland in die Tschechische Republik, um nicht nur sportliche Grenzen zu überschreiten? Vielleicht eine Läuferkette bilden, einen Staffellauf für 'ne bessere Welt? Ach was, Jürgen Mennel macht das ganz alleine.
Startet also in Frankfurt/ Oder, der Partnerstadt seiner Heimat Heilbronn. Läuft am ersten Tag über Eisenhüttenstadt durch Guben nach Forst, seinem ersten Etappenziel. Hohes Tempo, aber die Beine bewegen sich locker. Nur abends schlägt ihm die düstere Atmosphäre der deutsch-polnischen Grenzlandschaft aufs Gemüt. Die Ernüchterung folgt tags drauf. Muskelschmerzen und Energiemangel. Und Zweifel, ob der Zielort Prag wirklich nach dreieinhalb Tagen erreicht werden kann.
Für den 32jährigen Mennel sind solche Strecken nichts Neues. 1991 war er Vize-Weltcupsieger im 100-km-Lauf. Auch dem Laufen einen nicht nur sportlichen Sinn zu geben, das macht er schon lange. Nicht immer nur Rekorden nachjagen. Zu Haus hat er „Ulysses“ gegründet, eine Sport- und Kulturinitiative, durch die auch Behinderte und Heimatlose einbezogen werden sollen. Jetzt aber geht es ihm um Völkerverständigung. Ausländerfeindlichkeit? Begegnungen fördern, Kommunikation anregen – und damit gegenseitiges Verständnis und Toleranz wecken, das ist sein Motto.
Er läuft weiter, auch den zweiten Tag. 95 Kilometer hinüber ins sächsische Löbau. Und er schafft es, unterstützt von zwei Begleitern. Von nun an wird es bergig, geht es über die Ausläufer des Riesengebirges. Gut, daß die Kälte nachläßt, Mennel wagt in den Abendstunden einen langgezogenen Zwischenspurt. 50 Kilometer fehlen noch, 285 Kilometer hat der Läufer in zweieinhalb Tagen zu Fuß zurückgelegt. Doch die letzten 50 haben es in sich. Der Weg führt durch die Vorstädte Prags, durch Verkehr und dicke, schmutzige Luft.
Am Wenzelsplatz dann warten Presse und Fernsehen. Es wartet Emil Zatopek, die Lauflegende. Der gratuliert Jürgen Mennel zur sportlichen Leistung. Freut sich über die Idee eines Laufs zur Völkerverständigung. Zu Zeiten der Friedensbewegung war Zatopek, die „Lokomotive“, nach Westberlin gekommen, um den „Werner-Seelenbinder-Lauf“ zu starten. Mit diesem Marathon wurde im Westen eines Ringers gedacht, der von den Nazis umgebracht worden war. Auch für Zatopek also ist die Verbindung von Sport und Politik nichts Unbekanntes.
Nur die 335 Kilometer von Jürgen Mennel, die würde der Alte nicht mehr schaffen – auch wenn er mehr Zeit hätte als dreieinhalb Tage. taz
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