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■ Press-SchlagEin Spiel für die Gauck-Behörde

Ein herzliches Grüß Gott meine Damen und Herren daheim an den Volksreceivern. Ich melde mich aus dem Münchner Olympiastadion, bei ausgesprochenem Beckenwetter, wie wir hier sagen, wenn der Franz da ist. Alle fragen sich natürlich, ob der FC Bayern München die Maximen des Kaisers auf dem Rasen wird umsetzen können, ob er sich gegen die Dresdner frei machen kann vom Heim- Komplex und wieder zur früheren Linie zurückfindet. Fragen über Fragen, die jedoch einer weiteren Klärung harren müssen, denn die Mannschaften laufen jetzt ein.

Die Linienrichter überprüfen sehr sorgfältig die Schuhe, sie kennen ihre Pappenheimer – und tatsächlich, drei Dresdner müssen zurück in die Kabine. Vermutlich haben sie wie schon im Hinspiel ihre berüchtigten Dresdner Christstollen montiert, ein unerlaubter Vorteil auf diesem, nach den wochenlangen Regenfällen äußerst schwer bespielbaren Boden. Aber jetzt kommen sie zurück, ein prüfender Blick, alles scheint nun in Ordnung zu sein.

Und da kommt schon der Anpfiff durch den Detmolder Unparteiischen. Thon zu Scholl, der zu Matthäus, Matthäus zurück zu Thon, Thon zu Scholl, Scholl zu Thon, intelligentes Querpaßspiel, wie wir es von den Bayern kennen, aber was macht Thon denn, ja ist das die Möglichkeit, unbedrängt schiebt er den Ball seinem Dresdner Gegenspieler zu! Und Dresden kommt über Mauksch, Melzig, Beuchel, Kmetsch – eine herrliche Ballstafette, aber abgefangen von Scholl. Der zu Kreuzer und – zurück zu Aumann. Aumann zu Helmer. Aber was macht Matthäus? Matthäus sichelt da dem eigenen Mann die Beine weg und paßt zum Dresdner Mittelstürmer. Herrlich in den Lauf von Zeidler gespielt, der nimmt geschickt an und zieht ab. Tooor! Nein, kein Tor, knapp am Kasten vorbei. Das ist doch nicht zu fassen, so eine Traumvorlage haben wir von Matthäus seit Monaten nicht mehr gesehen.

Abschlag Aumann auf Jorginho, der will nach vorne spielen, aber da wird er von Wouters, seinem Mannschaftskameraden, ja man muß das so hart sagen, umgepflüglert. Die 70.000 Zuschauer sind gelähmt vor Entsetzen. Statt seinen Gegenspieler zu beschatten, die Räume eng zu machen, spielt Labbadia den Ball durch die Beine seines Mitspielers – jetzt ein herrlicher Doppelpaß mit dem Dresdner Mauksch, ganz offensichtlich sein Führungsoffizier! Das hat doch nichts mehr mit Fair Play zu tun, das sind doch Szenen aus dem Horrorkabinett: die halbe Bayern-Mannschaft von der Dresdner Seilschaft unterwandert! Die Bilder des Schreckens fügen sich zu einer späten Rache der Stasi: IM Mehmet säbelt seinen Mannschaftskameraden Mazinho um, während Matthäus tatenlos zusieht. Ob Ribbeck diesen Sumpf wird trockenlegen können?

Und was macht da Wohlfarth? Läßt ein tadelloses Zuspiel von Sternkopf einfach passieren, stellt sich tot! Wartet er auf den Wohlfarthsstaat? Hahaha – kleiner Scherz am Spielfeldrand, muß auch mal sein, aber Schupp, nein das darf doch nicht wahr sein, jetzt auch noch Schupp! Eigentlich kein Wunder bei seiner Vergangenheit. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, wann für die Dresdner das erste Tor fällt. Aber die wenigen unbelasteten Bayern geben nicht auf, mit dem Mut der Verzweiflung errichten sie ein Abwehrbollwerk, eine Alpenfestung gegen die anrennenden Dresdner, lassen die Abseitsfalle ein ums anderemal zuschnappen.

Jetzt fischt sich Aumann die Pille, faßt sich ein Herz, macht es alleine. Er führt den Ball eng am Fuß, umdribbelt Pilz, Jähnig, läßt Mauksch aussteigen, der bislang wie der sprichwörtliche Elbsandstein in der Brandung stand, ja ist das denn zu fassen, selbst Melzig, der Dresdner Zwinger, wie sie ihn nennen, rutscht auf dem schweren Boden am Münchner Torhüter vorbei, jetzt rächt sich die viele gute Butter, Aumann ist schon im gegnerischen Strafraum, allein vor Müller, zwei Klassetorhüter im erregenden Dialog, wahrhaftig keine Standardsituation! Aumann zieht ab, Tooor, Tooor, läßt den Dresdner Schlußmann ganz alt aussehen. 1:0, wird es reichen für einen glücklichen Arbeitssieg über die Elbflorentiner? Soviel vorerst aus dem Olympiastadion und damit zurück in die angeschlossenen Funkhäuser. Rüdiger Kind

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