■ Press-Schlag: „The Good, the Bad and the Ugly“
Der Böse ist perfekt gekleidet. Sein Jacket aus feinem Tuch ist förstergrün, die goldene Nadel hält den bunten Binder, eine beige Hose signalisiert Schlichtheit und Seriosität. Vor kurzem noch war der Böse beim Bader, nun trägt er das einst zottelige Haar wie ein Pastor.
Doch noch immer kaut Dragoslav Stepanovic, genannt Stepi, den Zigarillo im Mundwinkel wie Clint Eastwood. Noch immer wirkt er grell und geschmacklos, noch immer läßt er gern – paff, paff – Rauchwölkchen aufsteigen, als puste er Qualm aus einem gerade abgefeuerten Revolver. Auf dem Weg zum großen Finale hat er für ein paar Dollar mehr den ehrbaren Reinhard Saftig aus dem Weg geräumt. Skrupel? Da hat er – „ich bin ein Profi“ – nur höhnisches Lachen.
Er hat die Welt im Hinterzimmer seines Saloons kennengelernt: Zeigst du Gefühle, machen sie dich alle, das ist die Lehre aus seiner Zeit in „Stepis Pub“. Mit einem Pokerface lebt es sich leichter. Auch, wenn du alles auf eine Karte setzt: „Risiko ist mein Leben“, sagt der Böse. Im Zweifel spielt er va banque. Als am Samstag Pavel Hapal mit einem Schuß nur die Kante der Latte trifft, zuckt ihm kein Augenlid. Sein Rottweiler zuhause heißt „Rambo“.
Mit dem Image des Bösewichts lebt Stepi blendend. Seit er in Leverkusen angeheuert hat, zahlen sie ihm eine Million im Jahr für seine Dienste. Dafür soll er, sagt sein dicker Chef, „richtigen Zirkusmief in die Bude“ von Leverkusen bringen. Ausschauen wie ein Zirkusdirektor tut der Böse durchaus, nur wer ist dieser Mann, und was?
„Branchenschädling, Mann ohne Moral“ (Sport Bild); „Lebemann“ (Munzinger Archiv); „Wunderheiler oder Scharlatan“ (FR); „Zauberkünstler“ (Stepi über Stepi); „halb Hühnerdieb, halb Möllemann“ (Bernd Eilert). Keiner jedenfalls, den man gerne im Rücken hat, daran ändern auch seine witzig-sarkastischen Sprüche nichts. Als am Samstag im Berliner Olympiastadion ein Remake von Serigo Leones klassischem Western „The Good, the Bad and the Ugly“ aufgeführt wird, spielt Dragoslav Stepanovic seine Rolle: der Böse.
Der Häßliche sieht aus wie ein gestrandetes Walroß. Er lebt als Großgrundbesitzer im Rheinland und hat den Bösen in Sold genommen. Geld spielt für Reiner Calmund keine Rolle, und wenn wieder einmal um größere Summen gezockt wird, grinst er nur belustigt: „Gehe mit!“ Er bietet, bis andere entnervt die Karten weglegen. Sein Credo: Erfolg ist käuflich. Was soll's, daß er dabei gelegentlich überreizt. Dann lacht er, daß der Wanst wackelt wie Götterspeise.
Schon lange aber nagt an ihm, daß andere ihn schlagen. Nennt man ihn nicht „Schlitzohr“ (Berliner Zeitung) und „der Pate“ (Sport Bild)? Ha, sie werden ihn fürchten lernen! Zu tief sitzt der Groll darüber, daß ihm auf seiner Ranch eigene Zucht mißlingt. Sicher, er kauft prächtige Bullen und Rennpferde, seine Herde ist ansehnlich wie keine andere, und doch... Prämiert wird am Ende die Konkurrenz.
Am liebsten wildert er bei den kleinen Ranchern in der Nachbarschaft. Wenn ihnen aufgrund schlechter Ernte das Wasser bis zum Hals steht, zieht er sie über den Tisch. Er weiß, sie brauchen seinen Zaster. Fremde Weidezäune bedeuten dem Häßlichen nichts. Wenn ihm danach ist, entführt er einfach Jungvieh und verspricht den Eltern einen Job als Pächter oder Cowboy auf seinem Land. Schnell ist das Feuer heiß gemacht und den Fohlen und Kälbern das berüchtigte Brandzeichen aufgerückt: das Bayer- Kreuz. Dann schwitzt der häßliche, dicke Großkotz, und lockert mit der Rechten etwas die Krawatte.
Das Gute siegt? Sicher, in Hollywood. „Ein Film muß ein Happy-End haben“, sagt der Filmemacher Christoph Böll („Sissi“). „Ich liebe Happy- Ends“, sagt der Regisseur Stephen Frears („Gefährliche Liebschaften“). Das Publikum liebt sie auch. Der Böse und der Häßliche, sie dürfen den Guten nicht in den Staub schicken. Als am vergangenen Samstag der Showdown beginnt, zittern die Zuschauer mit ihm. Jochem Ziegert: blond, blaue Augen, Stiefel, die Haare wie Ron Wood. Er ist unerfahren, trotz einiger Kerben im Lauf der Kanone (für Leipzig, Hannover, Nürnberg, Chemnitz). Seine junge Bande nennt er „meine Jungs“. Sie halten zusammen, nur so konnten sie bisher allen anderen trotzen. 75.000 Mark Kopfgeld bezahlt der Häßliche für jeden von ihnen, und der Gute sagt: „Wir haben keine Chance, aber laßt es uns versuchen.“
Am späten Abend ist der Gute erledigt, seine Jungs liegen rücklings auf dem Rasen. Schützenkönig Kirsten (der Schwarze) hat sie mit einem Kopfstoß niedergestreckt – hinterhältig. Das Publikum pfeift. Fußball ist eben nicht Hollywood. Herr Thömmes
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