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■ Press-SchlagMit Oma und Gott

„Anyone for tennis – wouldn't it be nice?“ sangen Jack Bruce und Eric Clapton (The Cream) Ende der 60er Jahre im Duett. Damals diente der Aufschlag beim Tennisspiel(!) noch dazu, den Filzball ins Spiel zu bringen. Und Tennis war noch richtig „nice“ und weiß. Heute – knapp 25 Jahre später – nennen sie es noch immer Tennisspiel(!). Doch Ziel des Spiels ist es geworden, ein Tennisspiel zu verhindern.

Die Klopper sind da – und (kaum) noch einer kann sie aufhalten: 15 Asse haute Favorit und „Big Hitter“ Pete Sampras dem ungekrönten Klopperkönig Goran Ivanisevic schon am Mittwoch um die Ohren. Dabei hatte Sampras noch vor Jahresfrist selbst große Probleme mit den harten (Auf-)Schlägern. Doch dann griff er zu einem „guten Buch“ (Sampras): „Wie verbessere ich meinen Aufschlag um 50 km/h“ von Tim Gullikson.

Der von Sampras abgestrafte Ivanisevic hielt sich am Donnerstag – trotz Herzflattern und Atemnot – am armen (weil ausgeschiedenen) Katalanen Sergi Bruguera schadlos. Der punktete immer dann, wenn er ins Spiel kam. Doch „Go-Go-Goran!“ ließ ein Tennisspiel kaum zu. Als es im zweiten Satz zum Tiebreak kam, war Bruguera verloren: „Big Hits“ von Ivanisevic mit knapp 200 km/h sausten dem Fan des FC Barcelona und Freund von Bernd Schuster am returnbereiten Schläger vorbei: Aus und vorbei – da half keine Spielkunst.

Und auch ein anderer Tennisspieler(!) ist draußen: Der kleine Fischfreund Michael Chang (1,73 m „mit Schuhen“), der zum Auftakt den bibliophilen Angler Jim Courier geschlagen hatte, unterlag am Mittwoch Michael Stich – und am Donnerstag auch Andrej Medwedew. Und weil der Ukrainer aus dem Badischen zuvor – wie Chang – Jim Courier besiegt hatte, weil der Florida-Boy in den Spielpausen lieber einen Krimi las, als ihn auf dem „medium fast carpet“ zu inszenieren, steht er zur Überraschung der Experten im Halbfinale: Heute gegen Klopper Pete Sampras. Im zweiten Halbfinale stehen sich Michael Stich aus Elmshorn und der Sieger der letzten Vorrundenpartie zwischen Goran Ivanisevic und Stefan Edberg gegenüber. Wieder ein „Big Hitter“ gegen einen Tennisspieler(!). Schon in Paris wurde Ivanisevic wegen seiner Hardcore-Aufschläge auf dem Court gnadenlos ausgepfiffen. Und auch in Frankfurt werden die Freunde des Tennisspiels(!) gestern abend dem Schweden die Daumen gedrückt haben.

Dem knapp 500köpfigen Journalistentroß jedenfalls bereiten die selbstinszenierten Spielchen in der Presselounge mehr Spaß als die eher langweiligen Spiele auf dem Court – Ausnahmen wie die Partie Chang/Medwedew bestätigen die traurige Regel. Vor allem die britischen Kollegen laufen beim vormittäglichen „Tennis- Quiz“ zu Monty-Python-Form auf. Und zur Belohnung für richtige Antworten auf Fragen etwa nach dem Weltklassespieler, dessen rechter Fuß gerade auf dem Monitor zu sehen ist, gibt es T-Shirts und Sporttaschen von den Sponsoren. Gestern schlugen die US-Amerikaner die Italiener mit 18:12 Punkten. Und weil's so schön war, ließen die „Pizza-Boys“ (so der britische Moderator) danach Asti Spumante „für alle“ ausschenken. Während so das Leben in der Festhalle schon gegen Mittag pulsierte, lag einer in seinem Hotelbett (hoffentlich) im Tiefschlaf: Andrej Medwedew. Der Ukrainer hatte vor Aufregung zwei Nächte lang kein Auge zugetan – und sich doch bis ins Halbfinale durchgekämpft. Und das, da ist sich Medwedew sicher, lag nur an seiner Goßmutter aus Kiew, die den Bub (19) zum ersten Mal spielen sah: „Sie sagte mir, daß sie für mich zu Gott betet. Vielleicht hat mein Erfolg tatsächlich etwas mit Gott zu tun – bestimmt aber mit meiner Großmutter.“ Und weil die Oma da ist, hat Andrej auch vor dem großen Pete im Halbfinale keine Angst: „Ich werde Jim [Courier] fragen, ob er Sampras sein Buch leiht.“ Da brüllten die britischen Kollegen vor Lachen – und Medwedew ist ihr neuer Favorit. Klaus-Peter Klingelschmitt

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