■ Press-Schlag: Rolling Stone Stein
Der Typ sieht aus wie ein gealterter Rockgitarrist auf Revival-Tour. Die Haare hängen als Turbospoiler über den Nacken, das Gesicht mit der schmalen Hakennase ist ausgezehrt. N' paar pockige Narben vom Maskenbildner, dazu ne halbe Flasche Bourbon, und er könnte Keith Richards doubeln. Like a Rolling Stone, der Uli Stein, keine dieser penatenglatten Bundesliga-Visagen.
Auch seine Art – eher rauh. „Charakterlos, kriminell, menschlich fies“, hat ihn der einstige DFB-Chefankläger Hans Kindermann genannt. Sagt der Torwart, unbescheiden wie er ist: „Weltklassespieler sind immer unbequem.“ Aufgeführt hat er sich bisweilen wie Charles Bronson: Ein Mann sieht rot! Dafür haben sie ihn jetzt rausgeschmissen bei Eintracht Frankfurt, Sonntag, 14.15 Uhr. Ein kurzer, zorniger Abgang vom Trainingsgelände am Riederwald im Daimler-Coupet, und ein stummer dazu.
Das paßt nun gar nicht zu einem, der ansonsten ums Wort nie verlegen ist. Arschloch, Wichser, Penner, das Steinsche Vokabular gehört zum saftigsten der Branche. Kein Wunder ist das bei seiner Selbstsicht: Hier stehe ich, und um mich herum nur Drückeberger, Schlaffis, Duckmäuser, tote Hosen. Ein kurzer Blick also zurück auf des Torhüters Weltbild:
Über Ehrgeiz: „Ich bin so motiviert, daß ich im Eifer des Gefechts schon mal über die Stränge schlagen kann. Ich gebe auch zu, ich bin einschlechter Verlierer – eben besessen.“
Über den Trainer Beckenbauer: „Er hat kein Rückgrat, keine Stärke.“ Über Publikumsträume: „Als ich '86 aus der Nationalmannschaft rausflog, hatte der HSV schätzungsweise 5.000 Zuschauer mehr pro Spiel, wovon die Hälfte nur sehen wollte, wie ich die Bude voll bekomme.“
Über Torhüter: „Wir sind die totalen Einzelkämpfer: Du willst diesen Ball haben, er muß deine Beute sein.“ Über die Kraft des Leders: „Ich komme an keinem Ball vorbei, ohne dagegenzutreten. Der Fußball hat dazu beigetragen, daß ich nicht kriminell geworden bin oder sonstwas.“ Über Altersweisheit: „Ich habe auch erst in den letzten anderthalb Jahren gemerkt, daß man nicht sein Leben lang mit dem Kopf durch die Wand kann.“
Geholfen hat die kluge Einsicht nichts. Immer häufiger hat er gepöbelt in jüngster Zeit, die Serie von Niederlagen des Herbstmeisters Frankfurt ließ den Keeper überkochen. Mal sehen, was nun wird aus dem Wunsch des 39jährigen, „ich möchte mit 40 im Tor steh'n und auch mal Deutscher Meister werden“. Und sonst? Perspektive Blumenservice, das hat er vor exakt einem Jahr fürs Leben nach dem Fußball angekündigt. Warum das? „Ich liebe Blumen.“
Jürgen Wegmann kann das bestätigen. Dem hat er '87 beim Supercup-Finale mit der rechten Faust ein Veilchen gehauen. Herr Thömmes
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