piwik no script img

■ Press-SchlagScharping gegen alle, La ola in Halle!

Alle Gazetten feierten „das Wunder von Halle“ (taz). Ja, was war denn da los auf dem SPD-Parteitag? Die Abschrift einer Hörfunkreportage gibt Auskunft (bitte in einem Atemzug lesen!):

Ja, meine Damen und Herren, liebe Zuhörer, wir melden uns hier live aus Halle: Scharping gegen alle. Ausverkauftes Haus hier, ausgelassene Stimmung, olé, olé, olé-he, SPD-he! Da kommt auch schon der Kapitän im dunklen Tweed, weißes Hemd, traditioneller Dreß also. Wie er an das Mikro tritt, die Hand in der Hosentasche! Das ist das Trainingslager, eindeutig die Handschrift von Manager Verheugen, immer wieder haben sie mit ihm geübt, diese Standardsituation, unverkrampft auflaufen und dann das Wort einfach laufen lassen. Da, ein riskanter Steilpaß: „Ein Wunder ist ein Ereignis, das Glauben schafft.“ Das schafft Luft fürs erste, aber an der Spitze ist es eng, wie wir Fußballer sagen. Aber jetzt sucht er den Zweikampf, drückt die Ellbogen raus, geht dorthin, wo's weh tut, und sofort ist die Kulisse da, voll da. Wer zählt jetzt noch die Eigentore der vergangenen Wochen? Klasse, wie er da in die Tiefe des Raumes spricht: „Laßt uns in den nächsten vier Monaten nicht über Statistiken reden, laßt uns über Menschen reden!“ Ja, jetzt ist sie weg, die Angst des Herausforderers vor dem Kanzler! Ja, das will man hier sehen, einen Reißer, einen Brecher. Beifallstaifune! So ein Publikum kenne ich bisher nur von St. Pauli, dem Freudenhaus der Liga: Die Niederlage ist sicher, da berauscht man sich einfach an sich selbst: Olé, olé, olé-olé, super, super, SPD-he! Jetzt, Einwurf von links, verstolpert, sieht aber eine Lücke: „Schluß jetzt mit den Debatten, fangen wir an mit den Reformen.“ Und da kommt sie auch schon, die La-ola-Welle, der Kapitän ist im Rausch, ganz irre, so habe ich zuletzt Klinsmann gegen Holland erlebt: „Soll bloß keiner sagen, der Scharping wäre ohne Emotionen, trocken. Alles Käse!“ Nein, das ist kein Zweckfußballer mehr. Übern Kampf zum Sieg, und der Funke springt über: vierundfünfzigmal bisher habe ich Zwischenapplaus von den Rängen notiert. Aber hat der Kapitän die Kraft, die Kondition? Bis zum 16. Oktober, dem großen Finale, ist es noch lang. Wird dann Rudolf von der Ersatzbank auf die Regierungsbank eingewechselt?! Noch fünf Minuten! Er probiert's über halblinks, und da ist es heraus, ein Riesending, ein satter Hammer: „Wir haben ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Gegner: Kohl muß weg!“ Das sitzt, meine Damen und Herren, ein Tollhaus ist das jetzt hier in Halle, die Menschen sind aufgesprungen von ihren Sitzen, Standing ovations, jetzt geht's lo-os, jetzt geht's lo-os, ich hoffe, es kommt übern Sender, was hier los ist, dieses Wunder von Halle. Die Qualifikation ist geschafft, wir warten gespannt aufs Finale, liebe Zuhörer, das war's von hier, aus Halle. Arno Luik/Herr Thömmes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen