Press-Schlag: Zockende Rauhbeine
■ Heute im Europacup: Werder Bremen gegen Feyenoord Rotterdam
Der Kapitän ist reumütig wieder auf das schlingernde Schiff zurückgekehrt. „Aus Fehlern muß man lernen. Es muß jetzt eingegriffen werden“, erklärte Feyenoord-Präsident Jorien van den Herik seine kürzliche Rückkehr aus seiner zypriotischen Wahlheimat in die Geschäftsstelle des niederländischen Pokalsiegers. Eigentlich hatte es der allgewaltige Vereinspräsident nach drei turbulenten Amtsjahren etwas ruhiger angehen lassen wollen. Für die administrative Alltagsarbeit hatte er den früheren Nationaltrainer Thijs Libregts als Sportdirektor angeheuert und war nach Zypern entfleucht. Doch damit sorgte er für neuen Ärger bei dem an Skandalen reichen Traditionsklub.
Trainer Willem van Hanegem nahm es seinem Vereinspräsidenten krumm, daß der Vertrag mit Libregts ohne vorherige Konsultation zustande kam. Der Präsident beteuerte zwar, daß die Kompetenzen des Trainers durch Libregts keineswegs beschnitten würden. Van Hanegem empfing den ungeliebten Kollegen indes mit eisigem Schweigen. „Es ist, als hätte ich Aids“, stöhnte der entnervte Libregts. „Der Trainer wechselt mit mir kaum ein Wort.“
Zu allem Überfluß hatte bereits während der WM-Vorbereitung ein Pokerspiel die beiden Nationalspieler John de Wolf und Rob Witschge entzweit. Der Abwehrhüne de Wolf soll damals mit nicht ganz lauteren Mitteln seinen Busenfreund Witschge um 10.000 Gulden erleichtert haben. Fortan herrschte zwischen den beiden Pokerfreunden absolute Funkstille.
Zum internen Ärger gesellten sich blamable Auftritte in der Ehrendivision. Doch es waren nicht nur sportliche Enttäuschungen, die den wortkargen van Hanegem noch grimmiger als üblich dreinblicken ließen. Das einst so gute Verhältnis zu seinen Schützlingen scheint empfindlich gestört. Bisher genoß der „Krumme“, wie der 50jährige schon seit seiner aktiven Karriere liebevoll genannt wird, bei Fans und Spielern große Beliebtheit. Die Feyenoord-Profis hielten mit ihm während der WM steten telefonischen Kontakt, selbst der beredte Gullit schüttet aus dem fernen Mailand dem schweigsamen van Hanegem regelmäßig sein Herz aus.
Der eigenwillige Coach, der wegen seines kargen Mitteilungsbedürfnisses gerne mit dem früheren Feyenoord-Trainer Ernst Happel verglichen wird, hat in zwei Amtsjahren seine Elf trotz deren begrenztem spielerischen Potentials wieder an die Spitze der Ehrendivision geführt: Nach neunjähriger Durststrecke konnte sich das kampfstarke Feyenoord- Team 1993 den 13. Meistertitel sichern, die vergangene Saison wurde mit dem Pokalgewinn und einem respektablen zweiten Platz beendet. Sein selbst gestecktes Ziel, der als „Klopper-Truppe“ verrufenen Elf einen etwas kultivierteren Spielstil angedeihen zu lassen, hat er allerdings verfehlt: Auch unter seiner Obhut haben die Feyenoord-Rauhbeine durch knüppelhartes Spiel, wüste Schiedsrichterbeschimpfungen und eine Vielzahl roter Karten ihren Ruf als böse Buben der Liga eindrucksvoll gefestigt.
Dafür scheinen alte Wunden gekittet. „Wir sind wieder eine Kumpeltruppe“, jubiliert Löwenmähne de Wolf und präsentiert sich in trauter Eintracht mit seinem Pokeropfer Witschge. Und auch Präsident van den Herik zeigt sich von neuem Tatendrang beseelt. Es sei ein „Einschätzungsfehler“ gewesen, Libregts einzustellen, ließ er am Wochenende verlauten. Der Sportdirektor habe in unzulässiger Weise den Trainer kritisiert. Der ungeliebte Sündenbock hat die Zeichen der Zeit erkannt: Kommentarlos beendete Libregts am Montag sein dreimonatiges Gastspiel in Rotterdam. Thomas Roser
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