Press-Schlag: „Scusi, Signori, prego“
■ Nach 0:1 verabschiedet sich Napoli eilig aus Frankfurt
„Scusi, collega, prego, prego“, der Journalistentroß der vier täglich in Italien erscheinenden Sportgazetten hat's eilig. Ob der Vesuv ausbricht oder Regierungschef Berlusconi verhaftet wird, interessiert hier niemanden. Bis 23 Uhr muß eine Seite über den SSC Neapel gefüllt werden – da stört Rücksichtnahme nur. Schon das 1:0 für Eintracht Frankfurt in der 55. Minute durch Busis Eigentor gegen den Dreizehnten der Serie A hat einiges durcheinandergebracht. Fertiggetextete Jubelarien müssen noch einmal leicht umgeschrieben werden. Zwar bleibt die Leistung grandios, doch braucht muß nun die Pech-Variante dazukommen. Nicht zu vergessen eine Extrageschichte über den kleinlichen Schiedsrichter aus Ungarn (traditionell deutschfreundlich, die Magyaren!), der Cannavaro früh mit gelb-rot bedachte. Skandalös!
„Scusi, Signori, prego, prego.“ Neapels Trainer Vujadin Boskov kommt hereingerauscht. „Wir fangen schon mal mit der Pressekonferenz an“, erklärt der Serbe ohne Umschweife (auf deutsch) – obwohl Kollege Jupp Heynckes noch gar nicht da ist – und fährt ungerührt mit einem Statement auf italienisch fort. Noch ein paar Fragen, dann ist der Spuk vorbei. Die Corona dampft von dannen. Zurück bleiben deutsche Journalisten, die grimmig Löcher in die Decke starren. Wenigstens hat Boskov ihnen noch ein paar Brocken hingeworfen: „Faires Spiel, Kompliment an meine junge Mannschaft, gute Chancen, weiterzukommen. Ciao.“
Scusi, Frankfurt, aber wir haben's eilig. Seit fünf Jahren nimmt die Frankfurter Eintracht ununterbrochen am UEFA-Pokal teil, zu richtig attraktiven Gegnern hat es aber nie gereicht. Meist aus eigener Schuld, denn regelmäßig strich man gegen namenlose Teams die Segel, bevor überhaupt ein Topverein mit „Namen“ in Sicht kam. Und nun Neapel, endlich. Schnell wurden die Eintrittspreise um hundert Prozent erhöht. Die Leute murrten, aber kauften. So richtig zelebrieren wollten sie diesmal das große internationale Flair im Waldstadion. Aber Neapolitaner sind dem Norden gegenüber grundsätzlich mißtrauisch. Erst recht lehnen sie einen kalten, nassen deutschen Herbst ab. Wo es zu Hause 20 Grad hat. Wer soll das aushalten? Also, Wollmützen auf und durch. Mittwoch Anreise, Donnerstag Abflug. Scusi, Deutschland, prego, aber das geht wirklich nicht. Da müssen wir unsere eigenen Lebensmittel und unseren eigenen Koch mitbringen – auch ins Kempinski. Bringen wir's hinter uns.
So spielten sie auch. Schlotternd vor Kälte zitterten sie sich durch die erste Halbzeit und fanden selbst im zweiten Abschnitt mit jetzt nur noch zehn statt vormals elf Spielern einen gnädigen Gegner. Eine Mannschaft in Unterzahl auseinanderzunehmen, das macht man in Frankfurt nicht. Wäre schlechter Stil. Vor allem der Neapolitaner in Frankfurts Reihen, Maurizio Gaudino, hatte Mitleid. Seine Heimatstadt aus dem Pokal zu kicken, das konnte er nicht übers Herz bringen. Lieber noch mal einen Zweikampf verlieren. In vierzehn Tagen treffen sich die zwei Schönwetterteams unter den ihnen zusagenden Bedingungen erneut. Garantiert ohne Wollmützen. Matthias Kittmann
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