■ Press-Schlag: Profis kicken leider nicht in Solingen
Eines von vielen Hallenfußballturnieren des vergangenen Wochenendes veranstaltete der Landesligist VfB Solingen. Nicht um Geld oder Punkte für das Hallen-Masters wurde gekickt, sondern für die Freundschaft und Verständigung von deutschen und ausländischen Menschen. Der Brandanschlag auf das Haus der türkischen Familie Genç im Mai 1993 in Solingen, bei dem fünf Menschen starben, lastet noch immer auf der Stadt. Gerd Röltgen, Geschäftsführer des VfB Solingen, hängte sich also im vergangenen Herbst ans Telefon und versuchte Profivereine aus der Region für das Turnier zu gewinnen. Doch wen er auch fragte, ob Schalke 04 oder die Bayer-Vereine Uerdingen und Leverkusen, von allen bekam er nur Absagen. Die einen weilten noch im Urlaub, den anderen winkte Geld bei lukrativeren Hallenturnieren. Prinzipiell und besonders unter einem solchen Motto sei man ja immer bereit, zu kommen, hieß es, nur dieses Mal eben leider nicht. Leverkusen legte der Absage noch 50 Freikarten für Solinger Jugendliche bei.
Vor Jahren, anläßlich eines Besuchs bei seinem Bruder in Berlin, hatte Röltgen ein Fußballteam beim Training gesehen, daß ihm gut gefiel: Amateur-Oberligist Türkiyemspor Berlin. Die laden wir ein, schlug er seinen Vorstandskollegen vor. Ende November erhielt er nächtens einen Anruf: „Wir kommen zu eurem Turnier“, erklärte ihm Türkiyemspors Sportlicher Leiter Erdal Celik, und Röltgen wäre fast der Hörer aus der Hand gefallen. „Ich hatte nicht damit gerechnet, daß Türkiyemspor tatsächlich zusagen wird“, sagt Röltgen.
Weitere Amateurvereine aus der näheren Umgebung, unter anderen Union Solingen und der Wuppertaler SV, komplettierten das Feld. Natürlich wurde dann am Wochenende auch Fußball gespielt. Im Mittelpunkt stand der Sport aber nicht. In vielen Gesprächen kamen sich die Mitglieder des VfB Solingen und die mitgereisten Unterstützer von Türkiyemspor näher. Die Veranstalter waren überaus bemüht, den Gästen aus Berlin den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Die Freundlichkeit wirkte fast ein wenig übertrieben, immer aber war zu spüren, daß sie ehrlich war. Die türkischen Gäste wurden, entgegen einiger Befürchtungen, auch nicht dazu funktionalisiert, Solingen ein besseres Image zu verschaffen.
Türkiyemspor konnte am Ende das Turnier für sich entscheiden, doch eigentlicher Höhepunkt war der anschließende Umtrunk, auf dem die Vorsitzenden des VfB Solingen und Türkiyemspor gemeinsam zu türkischer Musik tanzten. Während also in Leipzig, Frankfurt, Nürnberg und Köln die Großen bloß gegeneinander und bloß Fußball spielten, löste auf einem unbedeutenden Turnier in Solingen der Sport in Ansätzen auch eine andere Aufgabe ein – Menschen ander näherzubringen. Andreas Pfahlsberger
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