■ Press-Schlag: Otto von Bayern
Normalerweise können Fußballtrainer, die eine Stadt verlassen, froh sein, wenn sie nicht zuvor geteert und gefedert werden. In Bremen ist das anders. Kaum verdichteten sich die Gerüchte, daß Otto Rehhagel, der standhafteste Bremer nach dem Roland, nach 14 Jahren erfolgreicher Tätigkeit das alte Bundesland an der Weser verlassen möchte, um – Verrat, Verrat – bei den Münchner Bayern anzuheuern, brach so etwas wie ein Volksaufstand los, zumindest für Bremer Verhältnisse. Der Zusammenbruch des örtlichen Ampelwesens ist nur eine Lappalie gegen Ottos vieldementierten Abgang, der sich aufgrund zahlreicher Indizien als immer wahrscheinlicher erwies. Taxifahrer sichteten Franz Beckenbauer nördlich der Mainlinie, und Rehhagel selbst wurde sogar im Haus von Uli Hoeneß erwischt, in Teufels Küche sozusagen. Im Handumdrehen lief die Rettungsaktion „Otto muß im Norden bleiben“ an. 500 Hörer von Radio Bremen votierten für den Verbleib Rehhagels bei Werder, einer bot ihm sogar wöchentlich eine Weißwurst an, um ihn vom Transfer nach München abzuhalten.
„So einen Rummel habe ich in zehn Jahren bei Bremen noch nie erlebt“, faßte Werders Mittelfeldspieler Mirko Votava die Stimmung zusammen, äußerte aber andererseits Verständnis für Ottos Wandergelüste. Wenn der 56jährige Rehhagel noch einmal etwas ändern wolle in seinem Leben, „dann ist es Zeit“. In der Tat. Der Posten des Bundestrainers ist ungefähr bis zum Jahr 2030 durch Berti Vogts okkupiert, wo soll Rehhagel also hin, wenn nicht zu den Bayern? Deren aktueller Übungsleiter Trapattoni ist mit Pauken und Trompeten durchgefallen – seine Mannschaft spielt, gemessen an ihrer Besetzung, fast durchweg Kreisklassenfußball –, und der Italiener macht sich klugerweise unter dem fadenscheinigen Vorwand familiärer Gründe aus dem Staub, bevor sein Renommée bleibenden Schaden erleiden kann. Die geeignete Möglichkeit für einen ehemaligen Eisenfuß, der in Bremen von „Otto Torhagel“ zu „Otto II.“ und schließlich „Otto dem Großen“ mutierte, um auszuprobieren, ob sein Zauber auch woanders wirkt.
Sorgen muß man sich um Werder Bremen machen. Jeder weiß, was aus der von Weisweiler verlassenen Gladbacher Borussia wurde. Zudem dürfte es nicht so leicht sein, einen Trainer aufzuspüren, der die nächsten 14 Jahre nichts vorhat, auch wenn sich Christoph Daum aus seinem türkischen Exil bereits emsig anbiedert.
Auffällig zudem die Schweigsamkeit von Manager Willi Lemke, der aber wahrscheinlich sowieso ins Kloster gehen wird, wenn ihm ausgerechnet Erzfeind Uli Hoeneß den Trainer abspenstig macht. Trotzdem hätte er ja wenigstens dem Beispiel Uli Borowkas folgen und bei Radio Bremens Protestwelle anrufen können. Matti
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