Press-Schlag: Neuer Prügelknabe
■ Atletico Madrids Trainer-Roulette
„Wir kommen mit einem Koffer voller Illusionen“, sagte Ruben „Panadero“ Diaz, der Assistent von Atletico Madrids neuem Trainer Alfio Basile, bei der Ankunft auf dem Flughafen der spanischen Hauptstadt. Illusionen können der argentinische Coach und sein Gehilfe, in den Siebzigern Stürmer bei Atleticos Meisterteam, gut gebrauchen. Klubpräsident Jesús Gil y Gil nämlich hat ein Hobby: Trainer feuern! Basile ist das zwanzigste Übungsleiter-Exemplar seit Gils Amtsantritt im Juli 1987, sechs verbrauchte der schwergewichtige Baulöwe, der nach allgemeiner Einschätzung vom Fußball soviel Ahnung hat wie ein Nashorn von der Rhythmischen Sportgymnastik, allein in der letzten Saison. Rekordhalter war Santos Ovejero mit 23 Tagen, sein Vorgänger José Luis Romero hatte es immerhin, wie der Argentinier Omar Pastoriza ein Jahr zuvor, auf 40 Tage gebracht.
Zu Beginn der neuen Spielzeit zog Gil einen besonders dicken Fisch an Land: den kolumbianischen Nationaltrainer Francisco Maturana. Doch auch der blieb nur wenige Wochen. Das letzte Opfer des fußballehrerfeindlichen Vereinsbosses war vor einigen Tagen Jorge d'Alessandro, dem der Präsident vorwarf, daß er sich zu gut mit der Mannschaft vertrug, nachdem er die Herren Romero oder Maturana noch mit der genau gegenteiligen Begründung davongejagt hatte.
Alfio Basile, der als argentinischer Nationaltrainer wegen der Gewichtsprobleme Maradonas nicht Weltmeister wurde, sagte bei seinem Amtsantritt das, was alle 19 vor ihm gesagt hatten: „Ich werde klarstellen, was die Aufgaben eines Präsidenten und was die Aufgaben eines Trainers sind.“ Eine Illusion, die er wohl zuallererst in den Koffer zurückpacken kann. Don Jesús hält sich nämlich nach achtjährigem Klubvorsitz für einen Fußballexperten, und seine Fachkenntnis äußert sich üblicherweise in der Form, daß er die genau entgegengesetzte Meinung des jeweiligen Trainers vertritt. Nach dem offensivfreudigen Maturana kam d'Alessandro, dem Gil nun seine defensive Ausrichtung ankreidete: „Das System, das wir spielen, führt uns in die zweite Liga.“ In der Tat liegt Atletico Madrid derzeit auf Rang 17, einem Abstiegsplatz.
Die Spieler sprachen sich gegen den Trainerwechsel aus und wünschen sich, so Mannschaftssprecher Tomás, „mal einen Trainer vom Anfang bis zum Ende der Saison“. Nicht mit dem umtriebigen Gil y Gil, den César Luis Menotti, einer aus der Gilde der zwanzig Verflossenen, einst als „Mafia-Gangster“ bezeichnete. Begonnen hat die Karriere des Atletico- Präsidenten als kleiner Autoverkäufer. Bald stieg er – vermutlich, weil niemand einen Gebrauchtwagen von ihm kaufen wollte – ins Baugewerbe um. 1969 stürzte eine von seiner Firma gebaute Halle ein und begrub 300 Menschen. 58 starben, Gil y Gil kam in den Knast, wurde aber dank seiner guten Beziehungen zu einem gewissen Señor Franco schon nach 18 Monaten begnadigt. 1991 wurde er Bürgermeister von Marbella, wo er sich in seinem Kampf gegen „Dreck, Abschaum, Nutten und Drogensüchtige“ munter über die Gesetze hinwegsetzte und persönlich eine Straßenschlacht mit Jugendlichen provozierte. Es ist kein Geheimnis, welches der große Lebenstraum des Jesús Gil y Gil ist: Präsident Spaniens zu werden.
Die Ziele von Alfio Basile sind bescheidener. Er will seinen Vertrag erfüllen, doch der läuft immerhin bis zum Saisonende. Enttäuschend gestaltete sich jedenfalls der Einstand des neuen Coaches. Erst ein Eigentor des Gegners in letzter Minute brachte das 3:3 gegen Real Oviedo. Langsam wird es eng für Alfio Basile. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen