Press-Schlag: Das große Wagnis
■ Die eingleisige Frauen-Bundesliga bereitet kleineren Vereinen Sorge
Beinahe sechs Monate ist es her, da hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine gute Idee für die 80.000 fußballspielenden Frauen in seinem Verband. Eine Idee, die dem Frauenfußball den Weg in eine gute oder düstere Zukunft weisen wird. Bis zum 1. März sollten sich nämlich Frauenteams für die eingleisige Bundesliga bewerben. Nach anfänglichem Zögern – nur fünf Bewerbungen waren eine Woche vor Ende der Meldefrist eingetroffen – flatterten noch 20 Anmeldungen in der Frankfurter DFB-Zentrale ein.
Aber schon heute läßt sich sagen, daß die meisten Vereine dem Projekt mit ängstlichen Gefühlen gegenüberstehen. Zwar obliegt es weiterhin meistens Männern, den von Frauenbeinen ausgeführten Steilpaß zu beurteilen. Doch hat sich seit 1970, als der DFB die kickenden Frauen unter sein Dach nahm und vor allem das Abgleiten in die Niederungen von Peepshows und „Damencatchen im Schlamm“ (der damalige DFB- Präsident Hermann Neuberger) vermeiden wollte, die Diskussion grundlegend geändert. Sportlich bedarf der Doppelpaß von Frau zu Frau keiner Rechtfertigung mehr.
Seit sechs Jahren gibt es eine zweigeteilte Bundesliga mit je zehn Vereinen. Wenn Ende April der DFB-Beirat über die in zwei Jahren startende eingleisige Bundesliga mit zwölf Teams entscheiden wird, sieht die Frauenbeauftragte Hannelore Ratzeburg – im vergangenen Jahr als erste Frau in den konservativen DFB-Vorstand gewählt – darin „ein großes Wagnis für den Frauenfußball“. Während sich nämlich das Nationalteam nach 1995, seinem bislang erfolgreichsten Jahr mit Gewinn der Europameisterschaft im eigenen Land und der Vizeweltmeisterschaft in Schweden, über einigermaßen große Aufmerksamkeit in den Medien freuen darf, wurstelt die Bundesliga müde vor sich hin. Es mangelt an vielem – vor allem am gesunden Unterbau. In Bayern, Baden oder dem Südwesten fehlt die Zwischenstufe, die Regionalliga. „Wenn eine Mannschaft“, sagt Ratzeburg, „aus der Bundesliga dorthin absteigt, purzelt die geradewegs nach unten durch.“
Hubert Oechsner ist Manager beim Aufsteiger TSV 1846 Crailsheim – so etwas wie das „Aushängeschild“ der schwäbischen Kleinstadt. Dreimal schon sind die Fußballerinnen in der lokalen Presse zur Mannschaft des Jahres gewählt worden, bei jedem Heimspiel steht der Oberbürgermeister am Spielfeldrand. Wenn Crailsheim die Qualifikation für die eingleisige Liga nicht schaffen sollte, wäre dies „ein Riesenrückschritt, dessen Folgen noch gar nicht abzusehen sind“, sagt Oechsner.
Um zu verstehen, in welchem Dilemma der Frauenfußball steckt, hilft ein Blick zum Deutschen Meister, dem FSV Frankfurt. Dort ist Jürgen Strödter Trainer und hat innerhalb von vier Jahren den Etat von 50.000 auf über 350.000 Mark vergrößert. Zu Jahresbeginn stieg er selbstbewußt aus dem lukrativen Vertrag mit einem italienischen Kaffeehändler aus, weil dieser zuwenig Interesse an der bundesweiten Vermarktung zeigte. Seit kurzem unterstützt den ungeschlagenen Tabellenführer eine amerikanische Sportartikelfirma. Im Vergleich zur Ligakonkurrenz sind solche großzügigen finanziellen Zuwendungen als beinahe schon himmlisch zu beschreiben. Der Großteil der Bundesligisten knapst mit gerade mal sechsstelligen Budgets rum.
Wenn jedoch die eingleisige Bundesliga ausbleibe, so Strödter, „geht hier bald alles wie beim Schoppen-Fußball weiter“. Zu dominant sei der FSV in der Südgruppe, „es interessiert eh keinen Menschen, wenn wir mit fünf, sechs oder zehn Toren Unterschied gewinnen“. Durchschnittlich 200 Zuschauer kommen zum FSV-Kick, das Fernsehen höchstens einmal zur Hin- und Rückrunde, „wenn überhaupt“.
Branchenführer wie der FSV Frankfurt im Süden, Grün- Weiß Brauweiler und Rumeln- Kaldenhausen im Norden brauchen die eingleisige Liga dringend, um Geldgeber mit TV- Auftritten bei Laune zu halten. Der Rest votiert zwar auch für die Bündelung der besten Teams, aber vor allem aus der Angst heraus, ins tiefe Loch der Bedeutungslosigkeit abzustürzen und für sehr lange Zeit den Anschluß zu verpassen. Maren Becker
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