Press-Schlag: Fünf Iren und „Theo der Grieche“
■ Nach dem Ende der irischen Fußballparty geht es ans Aufräumen
Früher war alles einfacher: Die irische Fußballnationalmannschaft eilte von einem Mißerfolg zum anderen, die Zuschauer wurden per Handschlag begrüßt, und die Verbandseinnahmen paßten in einen Schuhkarton. Dann holte man aus England Jack Charlton als Trainer, und mit dem Weltmeister von 1966 zog Professionalität ein – jedenfalls auf dem Rasen. Die Funktionärsriege blieb – trotz personeller Veränderungen im Lauf der Jahre – so provinziell wie eh und je. Vorige Woche gab es die Quittung: Vier von fünf Vorstandsmitgliedern traten zurück. Der fünfte, Präsident Louis Kilcoyne, wurde per Mißtrauensvotum zurückgetreten, drei der anderen aber wieder eingesetzt. Bis zur Jahreshauptversammlung im Juli wird man wohl so weiterwurschteln.
Im Grunde genommen war das Fiasko absehbar, denn schon bei der Ernennung von Charlton war es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Ein Teil des 18köpfigen Komitees wollte Liverpools Bob Paisley auf den Trainerstuhl hieven, obwohl er offiziell gar nicht zu den Bewerbern gehörte. Nach dem ersten Wahlgang, in dem Charlton gerade mal drei Stimmen bekommen hatte, durchschauten die anderen das abgekartete Spiel und stimmten im zweiten Wahlgang aus Rache gegen Paisley – und für Charlton.
Der sorgte dafür, daß der Schuhkarton schon bald zu klein wurde. Die Iren qualifizierten sich 1988 zum erstenmal für eine Europameisterschaft und zwei Jahre später für die Weltmeisterschaft, wo man bis ins Viertelfinale vorstieß. Auch in den USA war das Team vor zwei Jahren wieder dabei. Die Sponsoren standen Schlange, und selbst bedeutungslose Heimspiele waren stets ausverkauft.
Wo ist das ganze Geld geblieben? Solange die Fußballer Erfolg hatten, fragte keiner danach.
Doch die Party ist vorbei: Die Iren verpaßten die Europameisterschaften in England im Juni, und die Funktionäre schickten Charlton in die Wüste. Von den fetten Einnahmen ist nicht viel übrig, nicht mal ein eigenes Stadion: Die Fußballer sind immer noch Untermieter im Rugbystadion.
Im Fußballverband ging es zu wie in einem Selbstbedienungsladen. Die Vorstandsmitglieder sicherten sich vor jedem Spiel Hunderte der begehrten Eintrittskarten, der Schatzmeister zweigte knapp 20.000 Mark für den Umbau seines Hauses ab. Buchhalter Michael Morris behauptet, man habe ihn gezwungen, die Schuldnerliste des Verbandes zu „bereinigen“ – mit anderen Worten: Er habe die Namen der Vorständler verschwinden lassen.
Aufgeflogen ist die Sache wegen des merkwürdigen Umgangs mit den Eintrittskarten für die Weltmeisterschaft in den USA. Der irische Verband hatte sich Tickets für Spiele ohne irische Beteiligung gesichert, die er mit anderen Verbänden gegen Karten für Irland-Spiele eintauschen wollte. Dazu schaltete man ausgerechnet „Theo den Griechen“ ein, einen berüchtigten Schwarzhändler. Der verschwand prompt mit Geld und Tickets. Vorstandsmitglied Joe Delaney glich den Schaden von umgerechnet einer Viertelmillion Mark aus eigener Tasche aus. Das ist eigentlich recht lobenswert, aber aus welchem Grund tat er es? Und warum leugnete er es anfangs?
Ob die Buchprüfer der Firma Bastow Charleton, die auf komplizierte Fälle spezialisiert sind, Licht in die Angelegenheit bringen können, bleibt abzuwarten. Am letzten Freitag legten sie einen Zwischenbericht vor, der jedoch vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wird. Was drinsteht, reichte aber offenbar für Kilcoynes Hinauswurf.
Irlands neuer Trainer Mick McCarthy bereitet sich unterdessen auf das Länderspiel gegen Rußland in zwei Wochen vor. Leicht hat er es nicht: Kilcoyne hatte nach seiner Ernennung lauthals verkündet, daß McCarthy wahrlich nicht sein Wunschkandidat gewesen sei. Ralf Sotscheck
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