Press-Schlag: „Für immer und ewig“
■ Mit Pauken und Trompeten: Atletico Madrid feierte seine Meisterschaft
„Uff, geschafft!“ – Drei Mann waren nötig, um den Klops erfolgreich auf den Neptunbrunnen in der Madrider Innenstadt zu wuchten. Jetzt steht er oben, im naßgeschwitzten gestreiften Hemd, die Knöpfe über dem Bauch drohen aufzuplatzen. Er reißt die Arme hoch, die Finger zum Siegeszeichen gespreizt, als hätte er selbst die sportliche Glanzleistung vollbracht und nicht seine rot-weißen Jungs von Atletico Madrid. Jesús Gil y Gil, schwergewichtiger Präsident des Klubs, ist seit Tagen im Siegesrausch. Spanischer Meister, endlich wieder, nach 19 Jahren Durststrecke, und dann auch noch zeitgleich Pokalsieger, das war noch nie da.
Und um das Glück vollkommen zu machen, hat es der ewige Gegner Real Madrid nicht einmal auf einen UEFA-Cup-Platz geschafft. Den machte ihm der FC Teneriffa von Jupp Heynckes streitig. Und der FC Barcelona hatte gleich zweimal das Nachsehen. Atletico hingegen war nicht zu bremsen. Spitzenreiter fast die ganze Spielzeit über. Göttlich!
Der Wundertäter heißt Radomir Antić. Der Serbe trainiert den Klub seit dem letzten Sommer, damals krebste er im unteren Tabellendrittel herum. Die Mannschaft zu bändigen war der leichtere Teil der Aufgabe. Die wirklich schwierige Hürde auf dem Weg zum Erfolg hieß Jesús Gil y Gil. 28 Mannschaftsbetreuer verheizte Gil in knapp acht Jahren. Antić setzte dem – vorläufig – ein Ende.
„Campeones, campeones – oléoléolé.“ Das mußte einfach länger anhalten als eine Nacht. Mit einem 2:0 am Samstag gegen Albacete im Stadion Vicente Calderón verwies der „Atli“ – wie die Fans ihren Klub liebvoll nennen – Valencia endgültig auf Platz zwei. 30.000 Fans zogen anschließend zum Neptunbrunnen und warteten bis der Mannschaftsbus mit den Stars anrollte. „Campeones, campeones – oléoléolé.“ Radomir Antić hatte den Tag seinem eigens eingeflogenen Vater gewidmet, einem serbischen General. Antić ist Nationalist. Das bekommt zu spüren, wer gegen die bosnischen Serben anschreibt. Zuletzt der Vizechef von El Pais, Hermann Tertsch. Den beschimpfte Antić als Nazi. Denn: „Karadžić hat ein Volk verteidigt, das einen Anspruch auf ein Territorium hat, aus dem es vertrieben werden soll. Kann jemand Kriegsverbrecher sein, nur weil er sein Volk verteidigt?“
Wen interessiert das schon? Spielverderber! Schließlich rutschen Don Jesús manchmal auch Kraftsprüche heraus. Wollte der nicht jüngst alle Kommunisten vernichten? „Campeones, campeones...“, Arme hoch, Finger zum Siegeszeichen gespreizt. Ei, war das schön, also gleich noch einmal, und diesmal richtig.
Montag mittag, fünf Uhr. Umzug. Musikkapelle in Uniform, aus dem andalusischen Marbella – sommerliche Heimat der Superreichen – angereist, schließlich ist Don Jesús dort Bürgermeister. Jetzt steht er in der von Pferden gezogenen Karosse, Arme hochgerissen, Finger zum Siegeszeichen gespreizt. Neben Gil ist Antić postiert, den Pokal hocherhoben. Und dann noch mal eine Blaskapelle. Vier Stunden durch die hauptstädtischen Straßen. Besuch beim Bürgermeister Alvarez Manzano auf dem Rathausbalkon. Arme hoch, Finger zum Siegeszeichen gespreizt. Das Stadtoberhaupt küßt schön brav den Pokal und... Jesús Gil. Der Ministerpräsident der Madrider Regionalregierung tut es ihm nach. Danach Kathedralenbesuch für ein Dankgebet. Was? Die Spieler? Ach ja, die waren auch da, in kleineren Kutschen, weiter hinten im Zug.
Danach Fest im Stadion. Jesús Gil singt, begleitet vom bekannten andalusischen Damen- Duo „Azúcar y Moreno“ Volkslieder. 50.000 waren gekommen... „Oléoléolé...“, Arme hoch, Finger zum Siegeszeichen gespreizt. Zum Schluß ein Feuerwerk, nachts um halbzwei. Alles ganz nach dem Geschmack ihres Herrn. „Ich weiß nicht, ob ich in Ozeanien, Sewastopol oder sonst wo bin. Ich schwebe in den Wolken“, stammelt der siegestrunkene Gil in irgendein Mikrophon, „Das geht in die Geschichte ein. Das ist etwas, was die Psychologen studieren können.“ Wo der Mann recht hat, hat er recht.
Jetzt will Gil noch höher hinaus. Den Europapokal will er holen. Daß es klappt, davon ist er fest überzeugt, schließlich hat Atletico „die beste Mannschaft Europas, und die besten Anhänger. Damit währt der Club für immer und ewig.“ Und um dem Ganzen etwas nachzuhelfen, sollen vier neue Superspieler eingekauft werden. Der erste hat bereits gestern unterschrieben. Juán Eduardo Esnaider. Fünf Millionen Mark mußte Gil für den argentinischen Stürmer von Real Madrid hinblättern. Kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Und was, wenn der europäische Sieg tatsächlich gelingt. Ein erneuter Siegesumzug? Diesmal vielleicht durchs ganze Land? Arme hoch, Finger zum... Nein, bitte nicht noch mal. Reiner Wandler (Madrid)
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