Press-Schlag: Piratenliga auf Eis
■ Die Eishockeyvereine kratzen erfolgreich an der Verbandshoheit
Ob Fußball, Eishockey, Basketball oder gar Tischtennis, den jeweiligen Verbänden weht in den letzten zwei Jahren ein ziemlich eisiges Lüftchen entgegen. Eifrige Betreiber der Windmaschine sind entweder die Spitzenklubs, die sich durch verknöcherte Funktionäre und hemmende Strukturen bei ihrer vornehmsten Aufgabe, der Geldbeschaffung, behindert sehen, oder, wie im Falle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), das Bundeskartellamt. Der dickste Stein des Anstoßes ist in fast allen Fällen der gleiche: Es geht ums Fernsehen, den willfährigen Goldesel des modernen Profisports.
Aber es geht auch um mehr: Die Topvereine wollen ihre Vermarktung zunehmend selbst in die Hand nehmen, ohne auf lästigen Ballast wie Vereine und Landesverbände mit ihren ehrenamtlichen Kräften, ihrer teuren Jugendarbeit und ihren zeitraubenden Entscheidungsprozessen Rücksicht nehmen zu müssen. Am Horizont lauert die vollständige Abtrennung des Profisports vom Amateurbereich.
Und der Horizont rückt näher. Dem DFB wurde vom Kartellamt untersagt, die Fernsehrechte der Europacup-Heimspiele zentral zu vermarkten und den Erlös an die Vereine der 1. und 2. Bundesliga zu verteilen. Das Berliner Kammergericht wies die Beschwerde gegen diesen Beschluß ab, und einiges deutet darauf hin, daß auch der Bundesgerichtshof die Vermarktungsrechte in letzter Instanz den Vereinen zuerkennt. Dies würde unter anderen Franz Beckenbauer und Karl- Heinz Rummenigge freuen, die schon vor dem 0:3-Debakel ihres FC Bayern München in der ersten UEFA-Cup-Runde beim FC Valencia von „Sozialwahn“ sprachen, weil die Bundesligaklubs, die gar nicht an europäischen Wettbewerben teilnehmen, 800.000 Mark kassieren und etwa die Bayern nur eine Million pro Runde bekommen. „Während andere davon reden“, hält DFB-Sprecher Wolfgang Niersbach den Bossen der reichen Klubs entgegen, „praktizieren wir Solidarität.“
Am weitesten fortgeschritten in Richtung professionelle Vermarktung ohne Verbandsfesseln ist die nach dem Vorbild der amerikanischen Franchise- Struktur organisierte Deutsche Eishockey-Liga (DEL), die am Dienstag einen weiteren Sieg gegen den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) feiern konnte. Zwei Tage vor Beginn der Saison stellte das Schiedsgericht des Verbandes fest, daß sämtliche Vermarktungsrechte bei den 16 Vereinen liegen. Die bisherigen Verträge, die der DEB als hundertprozentiger Gesellschafter der Liga geschlossen hat, sind somit ungültig.
Dies betrifft vor allem das Fernsehen und hier ganz besonders den Pay-TV-Sender premiere, der noch die Rechte für die kommende Saison besaß, während die Münchner Kirch- Gruppe jene von 1997 bis zum Jahr 2000 erworben hat – für 88 Millionen Mark, wie gemunkelt wird. Der Kirch-Ableger DSF (Deutsches Sportfernsehen) kann nun schon früher einsteigen und überträgt heute sogleich anstelle von premiere das Saison-Eröffnungsspiel zwischen dem Kölner EC und der Düsseldorfer EG.
Die Vereine, die je 750.000 Mark pro Saison aus dem bisherigen TV-Vertrag bekamen, ab nächstem Jahr aber 1,5 Millionen, hoffen nun auf einen Nachschlag. „Wir haben den Ausgangspunkt für eine wirtschaftliche Gesundung des deutschen Eishockeys geschaffen“, freut sich DEL-Rechtsanwalt Bernd Schäfer. Der DEB sieht das naturgemäß ein wenig anders. Sein letzter Trumpf gegen die vollständige Abnabelung der Top- Liga ist der internationale Verband, der bisher erklärt hat, daß er eine „Piratenliga“ in Deutschland nicht dulden werde. Sollten sich die IIHF- Bosse eines Tages anders besinnen, könnte der DEB schon froh sein, wenn die Vereine wenigstens noch Spieler fürs Nationalteam abstellen. Matti Lieske
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