Press-Schlag: Von Turner lernen
■ Geizige Ufa gebiert lausige Hertha
Gott sei dank, daß es die Münchner Bayern gibt. Sie allein sind es, die in Zeiten fußballerischer Wirrnis wenigstens für einen Hauch von Kontinuität sorgen. Wie immer kicken sie miserabel und stehen trotzdem vorn, inmitten lauter Teams, die sich wahrscheinlich selbst fragen, was sie in dieser Region der Bundesligatabelle eigentlich zu suchen haben. Schon nach wenigen Spieltagen gibt es Anlaß zu grauenhaften Visionen: Duisburg, Rostock im Uefa-Cup, der 1. FC Otto womöglich in der Champions League? Na, warum nicht, schließlich kicken dort auch Bochum, Schalke und Leverkusen.
Kaiserslautern ist das beste Beispiel, wie es einem Aufsteiger gehen kann, wenn der Start gelingt, das Gegenstück zur Pfälzer Scheinblüte liefert wie üblich Hertha BSC. Ordentliche Spiele, aber kaum Punkte gegen Mannschaften wie Bayern München, Borussia Dortmund, Mönchengladbach, von denen man damals noch glaubte, sie stellten was dar. Lausige Partien gegen designierte Zweitligisten wie HSV und Wolfsburg. Den Tiefpunkt bildete das 0:4 in Rostock am Samstag, der Offenbarungseid droht am Freitag gegen Neururers Polsterkolonne aus Köln. Bleibt da das gegnerische Tor erneut ballfreie Zone, dürfte das hochgelobte Duo Röber– Hoeneß nur noch ein vertrautes Stück Berliner Fußballgeschichte sein.
Schuld ist natürlich Bertelsmann. Ein kleiner Blick nach Atlanta hätte dessen Ableger im Hertha-Dreß, der Ufa, zeigen können, wie man als Medientycoon erfolgreiche Sportteams auf die Beine stellt. CNN- Gründer Ted Turner, der gerade seine Portokasse der UNO vermacht hat und die Baseball- Mannschaft der Braves und die Basketballer der Hawks besitzt, hätte seinen Kollegen sagen können, daß lumpige sechs Millionen Mark keinesfalls ausreichen, einen passablen Fußball- Zweitligisten zum internationalen Spitzenteam umzuwandeln.
Derart kurzgehalten, mußten die Berliner anstelle eines veritablen Goalgetters mit einem ausgewiesenen Dribbler wie Bryan Roy vorliebnehmen, dem man jetzt zu seinem Erstaunen vorwirft, daß er nicht massenhaft Tore schießt. Weil die anderen neuen Stürmer offenbar auch nicht gut genug sind, darf immerzu Axel Kruse spielen, der das Tor etwa so präzise trifft wie gewisse Chauffeure eine Tunneleinfahrt, und für einen Torwart, der gelegentlich eine Flanke erwischt, war auch keine Kohle da.
Dumm gelaufen für die Bertelsmänner, die langsam lernen sollten, daß sie ihren großmäulig angepriesenen Hauptstadtclub nicht wie ein Fernsehprogramm planen können. Im Fußball führt Mangel an Qualität mitunter zügig zum Tabellenende. Ausnahmen (siehe oben) bestätigen die Regel. Matti Lieske
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