■ Press-Schlag: Angst in Dortmund: „Wir sind schuld!“
Der Dortmund-Fan an der Autobahntankstelle Gütersloh war gereizt: „Besser, wir verlieren heute. Um so schneller sind wir den Trainer los.“ So redet man eben in Gütersloh.
Unter den wirklichen Anhängern des Klubs dagegen ist der Trainer tabu. Im Gegenteil: Man fürchtet, Nevio Scala könne von sich aus den Verein verlassen. Denn nichts – nicht einmal weitere Niederlagen – fürchtet man in Dortmund so sehr wie bayerische Verhältnisse oder was man sich darunter vorstellt: Intrigen, Boulevard- Getratsche, Skandale und Mario Basler.
Ein Dortmunder Pendant zu Basler hat man sogar schon ausgemacht: den Ostdeutschen René Schneider, der, als er gegen Biefeld spielen sollte, „darauf nicht eingestellt“ war und statt dessen darüber jankte, Berti Vogts und der DFB hätten ihn vergessen. Den würde man in Dortmund gerne nach Dunkeldeutschland zurückschicken. Als er am Dienstag abend gegen Leverkusen für ein paar Bundesliga-Minuten eingewechselt wurde, pfiff ihn die Südtribüne wütender aus als einen kloppenden Gegner. Sonst blieb alles ruhig. Beim 0:1 von Borussia Dortmund gegen Leverkusen sah man zwei derart traurig spielende Mannschaften, daß man meinte, Hertha BSC Berlin sei gleich zweimal auf dem Platz. Es war das reine Unvermögen, und das „Kämpfen, Dortmund, kämpfen!“ von der Südtribüne war überflüssig: An nutzloser Rackerei mangelte es ja nicht, dafür an Übersicht und feiner Ballbehandlung. Man sagt es nicht gern, aber die Dortmunder können es derzeit nicht besser.
Während anderswo in vergleichbaren Situationen Köpfe statt Fußbälle rollen sollen, betragen sich die Dortmunder Anhänger wie artige, austherapierte Jungs. Am Dienstag abend riefen sie zur Entlastung von Spielern, Trainer und Vereinsführung in einer Mischung aus Fürsorge und Ironie: „Wir sind schuld! Wir sind schuld!“
So subtil ist Abstiegsangst noch nie formuliert worden. Wiglaf Droste, Dortmund
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