Press-Schlag: Die Pfeife bleibt stumm
■ Spaniens Fußballschiedsrichter verordnen „Nachdenkpause“ und treten in Streik
Die Schiedsrichter sind es leid: Ob knapper Sieg der einen, Niederlage der anderen oder ein Unentschieden, Clubpräsidenten und Trainer in Spanien suchen die Schuld dafür nicht etwa bei den trotz allerhöchster Starbesetzung oftmals mehr als mäßigen spielerischen Leistungen ihrer Mannschaften, sondern beim Unparteiischen. Die Herren über Gelb und Rot wollen sich jetzt nicht länger beleidigen lassen und treten am Wochenende in Streik.
Mit der „Nachdenkpause“, wie die Schiedsrichter der ersten Liga ihre Aktion nennen, reagieren die 22 Referees auf die letzten beiden Spieltage, bei denen sie mehr denn je Beleidigungen und Unterstellungen ausgesetzt waren. „Ich vermute, daß Gil dem Schiri die Schlüssel für eine Ferienwohnung in Marbella überlassen hat“, bezichtigte Miroslaw Djukic, Verteidiger des FC Valencia, nach der 1:3-Niederlage gegen Atlético Madrid den Schiedsrichter, vom Präsidenten des Gegners bestochen worden zu sein. José Maria Caneda, Präsident des FC Compostela, beschimpfte den Schiedsrichterverband als „Freudenhaus“, und Luis Figo vom FC Barcelona sprach nach der 0:1-Niederlage in Oviedo von „Betrug“ und „Diebstahl“ durch den seiner Meinung nach ganz und gar nicht Unparteiischen. Atlético-Chef Jesús Gil y Gil behauptete gar im Radio, er habe vor drei Jahren mit dem Ligaausschuß höchstpersönlich mehr Rücksichtnahme der Herren mit der Pfeife ausgehandelt, um den Abstieg seiner Angestellten zu verhindern.
„Wir haben die Schnauze voll von Beleidigungen und Wutausbrüchen. Wir Schiedsrichter sind auch nur Menschen mit Herz und vor allem mit Würde“, begründet der Sprecher der Rebellen, der angesehene Fifa- Schiedsrichter Antonio Jesús López Nieto, den Entschluß seiner Kollegen. Die Forderung: Der Ligaausschuß soll einen verbindlichen Verhaltenskodex erlassen. Wer gegen ihn verstößt, soll mit empfindlichen Geldstrafen belegt werden. „Doch vor Montag werden wir nicht verhandeln“, zeigt sich López Nieto unbeugsam. „Dieses Mal ist es nicht mit ein paar Trostpflästerchen getan. Sollen die von der 1. doch machen, was sie wollen, wir arbeiten jedenfalls nicht.“
Noch schweigen sich die Manager der Profiliga über mögliche Maßnahmen zur Rettung des Spieltags aus. Entweder sie nehmen Schiedsrichter aus niederen Klassen unter Vertrag, falls diese die Drecksarbeit als Streikbrecher annehmen wollen, oder sie suchen im Ausland Unparteiische mit höchster Lizenz. Das dürfte nicht leicht sein, denn die haben meist selbst ihren Spielplan voll. Guter Rat ist teuer, denn die Übertragungsrechte sind verkauft, Eintrittskarten und Totoscheine ebenfalls. Millionenverluste drohen.
Nur ganz wenige freuen sich auf den Streik, die aber richtig: Spaniens Kneipenwirte. Sie klagen, seit von Freitag bis Montag täglich gleich mehrere Ligaspiele live übertragen werden, über hohe Gewinneinbußen und den Verlust Zehntausender Arbeitsplätze. „Ausgehen statt Fußball“, lautet ihr Freizeittip für das Wochenende. Reiner Wandler (Madrid)
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