Press-Schlag: Abschied von der Vision
■ Schäfers Rauswurf beim Karlsruher SC macht den von Löw in Stuttgart logisch
Gerhard Mayer-Vorfelder runzelte die Stirn. „Ich dachte, wir reden hier über die WM.“ Tat man auch bei einem Stuttgarter WM-Forum. Weil der DFB-Vize aber nicht nur Finanzminister von Baden-Württemberg, sondern natürlich auch Präsident des VfB Stuttgart ist, mußte er auch reden über die Niederlagenserie des Bundesligafünften, die zuletzt in einem 0:3 gegen Bayern München ihren Höhepunkt fand. „Gar nichts“ habe mehr gestimmt im Team, brummte Mayer-Vorfelder also, woraus die Auguren nach einem knappen Vierteljahrhundert Erfahrung schlossen, daß Joachim Löws Ende als VfB-Trainer unmittelbar bevorstehe. Der Nachfolger, heißt es, sei längst auserkoren: Es soll nicht etwa der alte VfBler Hitzfeld sein, wie auch gerne geunkt wird, sondern der hemdsärmeligere, streßresistentere Winfried Schäfer. In diesem Zusammenhang ist es doppelt interessant, daß Schäfer (48) gestern etwas überraschend vom abstiegsbedrohten Karlsruher SC entlassen wurde. Im Gegensatz zum VfB war nach dem 0:1 gegen den HSV in Karlsruhe eine öffentliche Trainerdiskussion gar nicht mehr richtig aufgekommen.
Der Grund: Präsident Schmider hatte sich im Gegensatz zum Machtpolitiker Mayer-Vorfelder geweigert, mitzuspielen. Er traue sich erstens gar nicht, hieß es da, und wolle zweitens keine Abfindung zahlen.
Nun zeigt sich, daß der knausrige Schmider nach dem Glauben an die Wunder wirkende Kraft der Kartoffelsuppe auch den an den Weggefährten über zwölf erfolgreiche Jahre aufgegeben hat. Oder nun hofft, sich die Abfindung sparen zu können. „Entscheidend“ für die Entscheidung, sagte er gestern mittag, sei das „schwache Spiel gegen den HSV“ gewesen.
Die langfristige Vision vom europäischen Spitzenteam in der Provinz, „KSC 2000“ genannt, hatten beide insgeheim schon längst ad acta gelegt, die Qualifikation für den Uefa-Cup im Sommer nach längerer Problemphase hatte eine klare Diagnose aber verschleiert. Der Abschied von Schäfer und die Rekrutierung eines Nachfolgers wie Jörg Berger ist bloß die öffentliche Bestätigung, daß es statt dessen nun sofort ums Überleben geht.
Schäfer sagte zwar zu Recht immer gerne, man müsse „sehen, was sich hier alles getan hat“, im Laufe dieser Saison erwies sich die geschaffene Basis dennoch als recht dünn. Dieses Mal konnten die Abgänge (Fink, Tarnat, Schuster) von den Neuen (Schepens, Nyarko, Regis, Gilewicz) nicht mehr ersetzt werden. Schäfer ist frei. „Die Probleme“, die aber Mayer-Vorfelder „schon länger durch den Kopf gehen“, sind dadurch nicht kleiner geworden. Es ist eine Frage der Public Relations. Wie den Schwaben den eben gescheiterten Wahl-Badenser schmackhaft machen – und wann? Joachim Löw ist ein Mann, der den Verein zum Pokalsieg und nun ins Halbfinale des Europapokals gecoacht hat. Außerdem war er immer sehr beliebt – außer beim Präsidenten, der aber angesichts des Erfolges schweigen mußte. Seit einiger Zeit arbeitet er mit dem offiziellen Argument „Uefa- Cup-Platz in Gefahr“, zuletzt auch mit gezielten Hinweisen zur Trainerkompetenz („die Linie ist schon länger weg“). Am Samstag muß der VfB zu Hertha – eine weitere Niederlage würde die Beweisführung sehr stärken.
Löw, behaupten Insider, habe von seiner Persönlichkeitsstruktur eben nur zusehen können, wie der außergewöhnlich wunderbare Team-Spirit seines Aufbruchsjahres entschwand und die Interessen der Spieler immer individueller gerieten. Selbst als er gestern im Interview mit der Stuttgarter Zeitung Gelegenheit bekam, weigerte er sich, nach Trapattoni-Vorbild die Schuld öffentlich an die sogenannten „Fußball-Millionäre“ weiterzugeben. Er gedenke das „intern“ zu regeln. Wenn er kann und man ihn denn läßt. Die Geschichte, so sieht das aus, läuft auf eine echte Pointe zu: Joachim Löw ist zu nett! Peter Unfried
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