Press-Schlag: Kartell radelt wieder
■ Bei der heute beginnenden Vuelta rollen die Apotheken zum vorläufig letzten Mal
Schenkt man französischen Untersuchungsrichtern Glauben, dann repräsentiert die Startliste der heute in Cordoba beginnenden Spanien-Rundfahrt so etwas wie das Medellin- Kartell des Radsports. Mit von der Partie sind die eingestandermaßen organisiert dopenden Festina-Fahrer mit ihrem Kapitän Richard Virenque oder auch die von der französischen Justiz verfolgten Teams TVM und ONCE/Deutsche Bank. „Wir gehen mit erhobenem Haupt“, hatte ONCE/Deutsche-Bank- Teamchef Manolo Sainz gegenüber den Medien auf spanischen Stolz gemacht, nachdem sich seine Fahrer am Tour-Streiktag aus Frankreich abgesetzt hatten. In der Heimat wurden sie wie Nationalhelden empfangen.
Niemand fragte danach, warum sich die Mannschaft so schnell vom Acker gemacht und nicht wenigstens die Etappe beendet hatte. Teamarzt Nicolas Terrado brachte schließlich mehrere Tage in Polizeigewahrsam damit zu, den Beamten glaubhaft zu machen, daß er mit den bei ihm gefundenen verbotenen Substanzen ausschließlich die Wehwehchen von Mechanikern und Masseuren behandelte. Sein Chef Manolo Sainz war derweil wie vom Erdboden verschluckt und tauchte schließlich auf einer Pressekonferenz in Madrid wieder auf, um den Tour-Direktor Leblanc als „Mafioso“ mit „Terroristen- Taktiken“ zu beschimpfen.
Zum diesjährigen Staraufgebot gehört auch ein Fahrer, der bisher nicht mit Dopingvorwürfen zu kämpfen hatte. Der Tour- Aussteiger und Banesto-Kapitän Abraham Olano hat für die nächste Saison noch keinen Vertrag und würde bei der Vuelta seinen Marktwert nur allzugerne ein wenig steigern. Dazu sollte der Baske allerdings endlich einmal eine große Rundfahrt überstehen, ohne entkräftet vom Rad zu fallen. EPO soll in solchen Fällen ja helfen.
An fachkundigem Rat in pharmazeutischen Fragen von Kollegen sollte es auf den 3.745 Kilometern, die bis zur Ankunft in Madrid am 27. September zurückgelegt werden müssen, wirklich nicht mangeln. Der internationale Radsport-Verband verlängerte die Galgenfrist, bis zu der Festina-EPO-Junkies von ihren jeweiligen nationalen Verbänden für sechs bis zwölf Monate aus dem Verkehr gezogen werden sollen, bis über das Vuelta-Ende hinaus, und auch polizeiliche Verfolgung hat während der Spanien Rundfahrt niemand zu befürchten. Die Vuelta-Organisatoren haben den ursprünglich vorgesehenen 85 Kilometer langen Abstecher durch die französischen Pyrenäen in weiser Voraussicht auf spanische Landstraßen umgeleitet.
Virenque, der allen Geständnissen seiner Mannschaftskameraden zum Trotz ganz nach Telekom-Manier beharrlich weiter auf Saubermann macht, reagierte auf die drohende Sperre nicht gerade begeistert. Vor laufenden Kameras dachte Frankreichs Radsportidol laut über einen Wechsel der Staatsangehörigkeit nach.
Sein Sponsor Festina ist in dieser Angelegenheit schon weiter. Nach Aussage von Firmensprecher Ginés Górriz hat die Firma mit Sitz in Andorra die Absicht, die Lizenz für den Rennstall künftig in der Schweiz zu beantragen. So soll das Image des Uhrenherstellers aufgebessert werden. Das allerdings hat durch den Tour-Skandal keineswegs gelitten. Ganz im Gegenteil. Nach einer von Festina in Auftrag gegebenen Emnid- Umfrage wissen inzwischen 20,4 Prozent der Deutschen, daß die Firma Uhren produziert. Kein Anlaß also, die neue Kollektion ausgerechnet unter dem Namen „Cool and Clean“ auf den Markt zu werfen. Viel cooler wäre doch „Legalize it!“ Joachim Quandt, Pamplona
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen