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■ Press-SchlagDie Mär von den zwanzig Elfmetern

Daß der deutsche Fußball in Sachen Taktik ein wenig hinterherhinkt, ist mittlerweile sattsam bekannt. Weniger im Blickpunkt steht, daß es bei der Regelauslegung nicht anders ist. Der Unsinn von der „internationalen Härte“ kehrt auch in Post-Berti-Zeiten gebetsmühlenhaft wieder, die Bundesliga wird als sittsames Refugium in der Löwengrube europäischer Gesetzlosigkeit dargestellt. Dabei ist es umgekehrt und kein Zufall, daß nicht nur das Ausscheiden der Nationalmannschaft bei der WM, sondern auch das von Stuttgart und Bremen im Uefa-Cup nicht zuletzt durch Platzverweise bedingt war. Die munter tretenden Bayern entgingen diesem Schicksal in Barcelona nur knapp.

Immer frisch voran beim Ignorieren des Offenkundigen: Franz Beckenbauer, der sehr kluge Dinge über Fußball zu sagen weiß, wenn er vorher nachdenkt, auf der anderen Seite jedoch einen heißen Draht vom Bauch zu den Stimmbändern unter direkter Umgehung des Hirns entwickelt hat. „Das muß Konsequenzen von seiten der Uefa haben“, polterte er, weil Schiedsrichter Collina beim Spiel der Bayern in Barcelona das getan hat, was Fußballreformer in der Fifa und anderswo seit langem fordern: die Wrestling-Einlagen im Strafraum bei Eckbällen und Freistößen zu unterbinden. Ein Barça-Tor gab er nicht wegen Stürmerfouls, dafür später einen Strafstoß wegen Verteidigerzerrens. Wunderbar konsequent. Geradezu exzellent. Aber zu hoch für deutsche Fußballkoryphäen.

„Wenn man solche Fouls pfeift“, assistierte Bayern- Coach Hitzfeld tumb seinem Chef, „dann gibt es in jedem Spiel zwanzig Elfmeter.“ Falsch! Wenn man solche Fouls pfeift, dann gibt es bald solche Fouls nicht mehr. Siehe Barcelona, wo es bei einem Elfmeter blieb, siehe die „international“ fast ausgestorbenen Vergehen Notbremse und Grätsche von hinten, deren strikte Ahndung von deutschen Balltreterkreisen ebenfalls lange bekämpft wurde. Aber in einem Land, wo die Begriffe „Härte“ und „gesund“ nach wie vor unauflöslich verbunden sind, dauern manche Denkprozesse eben etwas länger. Matti

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