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Press-Schlag„Der Libero ist passé“

■ DFB-Kapitän Oliver Bierhoff beginnt das Jahr gut – mit unangenehmen Wahrheiten

Mit manchen Wahrheiten ist es so, daß sie jeder kennt. Aber keiner ausspricht. Jedenfalls keiner, auf den die Leute hören. Deshalb ist erfreulich, daß der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft das Jahr mit einem richtungsweisenden Satz begonnen hat. Oliver Bierhoff sprach folgende große sieben Worte relativ gelassen aus: „Dieses alte System mit Libero ist passé.“

Das ist ein dermaßen wahrer Satz, daß sich die taz gerade eben fest entschlossen hat, das Wort „Libero“ ab sofort außerhalb historischer Abrisse nicht mehr zu benutzen. Ganz einfach deshalb, weil es, wie Bierhoff sagt, im modernen Fußball keinen Tätigkeitsbereich mehr gibt, den man damit beschreiben könnte. In diesem Zusammenhang darf man auch Günter Netzer zitieren, der am Wochenende in die Diskussion eingegriffen hat, in dem er wieder darauf hingewiesen hat, die Rückholung von Libero Lothar Matthäus (37) sei „ein Armutszeugnis“. Netzer differenziert das allerdings, indem er sagt, „für den deutschen Fußball“, nicht aber für den Trainer Ribbeck oder den Profi Matthäus.

Der letzte Teil dieser Differenzierung ist richtig. Matthäus' Ansehen in aller Welt hat durch die Rückholaktion keinen größeren Schaden genommen, Ribbecks konnte es nicht. Der deutsche Fußball generell aber gilt auf dem europäischen Markt nicht mehr als Spitzenprodukt. Wenn Bierhoff mit internationalen Managern redet, sagen die ihm nüchtern, es gebe „in Deutschland nicht mehr diese Topspieler wie zum Beispiel in Frankreich“.

Warum nicht? Der DFB-Kapitän redet immer sehr vorsichtig. Wenn er also im Jahresrückblick von Sat.1 sagt: „Bei meiner Ausbildung hat man zuviel Medizinbälle geschleppt.“ Und daraus folgert: „Da sollte man der Jugend beibringen, vielleicht ein bißchen flexibler zu sein.“ Dann darf man getrost ein Ausrufezeichen dahinter setzen. Gleiches gilt für den Satz: „Vielleicht sollte man auch über die Grenzen hinwegschauen.“ Er selbst tat es (wenn auch zunächst nicht ganz freiweillig) – und ist heute Torschützenkönig der Serie A, einziger deutscher Profi von Weltruf und angestellt beim Weltklub AC Mailand.

Erich Ribbeck (“Ich bin der Teamchef“) war bekanntlich auch im Ausland tätig – er sammelte auf Teneriffa Kräfte für die Aufgaben, die auf ihn zukommen und immer größer wird, nachdem Fifa-Chef Blatter künftig alle zwei Jahre WM und alle zwei Jahre EM spielen will.

Obwohl, große Aufgabe? Ribbeck hat in derselben Sendung, gefragt, wo er den deutschen Verbandsfußball auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen würde, die salomonische Antwort gegeben: „Da muß ich natürlich 10 sagen.“ Das ist erfreulich für ihn – die objektive Wahrheit allerdings kann es auf keinen Fall sein. Das sieht man schon daran, daß Franz Beckenbauer auf dieselbe Frage „so mittendrin“ geantwortet hat. Aber gerade diese Aussage ist natürlich fließend und kann sich im Verlauf des Jahres noch 361mal ändern. Der Satz von Bierhoff dagegen steht so fest, daß er für 1999 in jedes Impressum aufgenommen werden sollte. Peter Unfried

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