Press-Schlag: Time is on my side
■ Alberto Tombas Bestzeit zum Abschied beruhte auf einer gefälschten Zeitnahme
Eigentlich hätte sich Alberto Tombas erster Lauf bei seinem Abschiedsrennen am 30. Dezember in Sestriere recht schön einordnen lassen in die ansehnliche Liste der Veteranen, die unvermittelt in vorgerücktem Alter wieder Weltspitze sind, von Steffi Graf über Lothar Matthäus bis Mike Tyson. Spektakulär war ein ziemlich untrainierter Tomba, der im Oktober das Ende seiner Karriere bekanntgegeben hatte, vor Tausenden begeisterter Fans mit sensationeller Bestzeit durchs Ziel gerauscht. Am Ende belegte er beim aus drei verkürzten Läufen bestehenden Nacht- Riesenslalom auf seiner Lieblingsstrecke knapp hinter Paul Accola und Patrick Holzer den dritten Rang. Ein beachtliches Resultat, das Gerüchten vom Comeback Tombas bei der Weltmeisterschaft Anfang Februar in Vail Auftrieb verlieh.
Doch, ach, o weh, wenn da nicht die bösen Buben von der Enthüllungspresse wären. Diesmal waren es die Moderatoren von „Striscia la notizia“ auf Canale 5, die in ihrer an sich politischer Parodie gewidmeten Show schon für manch aufsehenerregende Demaskierung gesorgt hatten und nun in Superzeitlupe nachwiesen: Der Sieg war nichts als ein glatter Betrug. Tatsächlich blieb die Uhr bei Tomba stehen, als dieser noch weit vom Zielstrich entfernt wedelte, während der Slowene Jure Kosir, am Ende Fünfter, bereits deutlich über die rote Linie hinausgeschossen war, als das Chronometer noch immer weiterlief. Dann ließen die Redakteure den Gesamtlauf der beiden nebeneinander abspulen – Tomba nahm gerade das letzte Tor, als Kosir die Ziellinie passierte. Etwa vier Zehntel hat der 32jährige auf diese Weise gut gemacht, regulär wäre er am Ende Achter im zwölfköpfigen Teilnehmerfeld geworden. „Ich habe von nichts gewußt“, kommentierte Tomba die Enthüllung: „Ich bin verbittert und empört.“
Kleinlaut brabbelten die Veranstalter etwas von „leider ausgefallenen elektronischen Meßgeräten“. Was freilich keiner glaubt. Denn Italien ist nicht unbekannt, wenn es um eine eher kreative Messung von Zeiten und Werten geht. Der berühmteste Fall war die gefälschte Weite des italienischen Weitspringers Giovanni Evangelisti bei den Weltmeisterschaften 1987 in Rom, für die Verbandspräsident Primo Nebiolo in bösen Verdacht geriet. Evangelisti wurde seine Bronzemedaille Jahre später aberkannt.
Aber auch sonst zeigt das Land nicht selten einen Hang zu unorthodoxen Auslegungen von Regeln. Bei internationalen Reiterwettkämpfen in Italien kommt es schon mal vor, daß statt der zugelassenen vier heimischen Champions unversehens gleich derer neun starten. Und bei den Weltreiterspielen in Rom vergangenes Jahr suchte der italienische Dressur-Richter die Position seiner weit hinterherpiaffierenden Landsleute dadurch aufzubessern, daß er den Konkurrenten Wertungen verpaßte, die bis zu 40 Plätze hinter denen aller anderen Richter lagen.
Ob der Tomba-Betrug sportliche oder rechtliche Konsequenzen haben wird, ist noch nicht ausgemacht. Der Bewerbung von Sestriere für die Olympischen Winterspiele 2006 hat er jedenfalls kaum genutzt. Sicher dürfte außerdem sein, daß wo immer ein italienischer Richter nun mißt oder Knöpfchen drückt, unzählige Argusaugen zusehen werden, wann und wie er das macht. Werner Raith
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