Press-Schlag: Abstieg, muß das sein?
■ Höchste Zeit, Wohl und Wehe in der Fußball-Bundesliga neu zu organisieren
Amerikaner, so erklärte der Politologe Andrei S. Markovits kürzlich in einem Interview mit der Berliner Zeitung, könnten partout nicht verstehen, was an einem Abstieg sportlich sein solle. In den USA ist es völlig undenkbar, daß ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen wie zum Beispiel das Baseball-Team der San Diego Padres, kaum daß es ein paar hundert Millionen Dollar für ein neues Stadion zusammengekratzt hat, plötzlich in den Minor Leagues antreten muß, nur weil man ein paar Bälle nicht richtig getroffen hat. Ähnliches ist gerade Borussia Mönchengladbach in der Fußball-Bundesliga widerfahren, wobei einzuräumen ist, daß sie ein paar mehr als ein paar Bälle nicht richtig getroffen haben.
Die glorlosen Sieben
12. Nürnberg 37 Pkt./ 39:48 T.
13. Stuttgart 36/ 40:48
14. Freiburg 36/ 34:43
15. Rostock 35/ 46:56
16. Frankfurt 34/ 39:53
17. Bochum 29/ 38:62
18. M'gladbach 21/ 41:77
In Europa ist der Abstieg jedoch eine heilige Kuh, und bei den Plänen für eine neue Europaliga war die Entrüstung in keiner Frage größer als bei der projektierten Unabsteigbarkeit einiger Teams – der VfL Bochum war übrigens nicht gemeint. Besonders taten sich Willi Lemke von Werder Bremen und Gerhard Mayer-Ämterhäufer vom VfB Stuttgart hervor, und es wäre nicht ohne Pikanterie gewesen, wenn es postwendend deren Teams aus der heimischen Eliteliga gekantet hätte – was im Falle des VfB sehr wohl noch möglich ist.
Doch mag – nichts gegen Unterhaching – der sportliche Wert von Auf- und Abstieg noch so dubios sein, unbestreitbar ist, daß nur die Frage, wer denn nun in die zweite Liga flutscht, den heutigen letzten Spieltag im Oberhaus noch mit Spannung erfüllt. Es sei denn, jemand interessiert sich dafür, wer sich in der Champions League blamieren darf und wer im Uefa-Cup gurken. Eine Marginalie – oder erinnert sich vielleicht noch jemand daran, welche deutschen Teams in dieser Saison dort vertreten waren? Eben!
Frankfurt oder Rostock, Freiburg oder Stuttgart, vielleicht gar Nürnberg, einen erwischt es noch neben Gladbach und Bochum. Womit wir bei einem wenig sportlichen Aspekt der angeblich so sportlichen Angelegenheit wären. Während es der VfB mit den geretteten und vermutlich wenig bißfesten Bremern zu tun bekommt, Hansa Rostock bei den Verdammten des Ruhrstadions im demotivierten Bochum antreten darf, muß der SC Freiburg zum noch bedrohten 1. FC Nürnberg, und Frankfurt bekommt es gar mit Champions-League-lüsternen Lauterern zu tun. Und gegen wen hat Nürnberg die vermutlich rettenden Punkte geholt? Gegen scheintote Bayern, die gerade ihre Meisterfeierlichkeiten hinter sich und nur noch Manchester im Kopf hatten. Ist das etwa gerecht? Oder auch nur sportlich?
Es ist etwas grundlegend faul am Spielsystem der Bundesliga. Fußball gehört zu den wenigen altertümlichen Sportarten, in denen der Meister und die Absteiger schon lange vor Saisonende feststehen können und manch ein Team sich frühzeitig und wettbewerbsverzerrend zur Ruhe setzen darf. Abhilfe wäre einfach. Die Liga auf 16 Vereine reduzieren und damit Termine für Play-offs freischaufeln. Der Erste nach der regulären Runde bekommt einen Champions-League-Platz, mehr nicht. Die besten acht spielen nach Europacup-Modus in Viertelfinale, Halbfinale und Finale den Meister aus, wobei das besser plazierte Team jeweils Heimrecht im Rückspiel und damit bei einer etwaigen Verlängerung bekommt. Gleiches gilt für den Abstieg, wo die Sieger in Urlaub dürfen und die beiden Letzten die Hunde beißen (nichts für ungut, Friedel Rausch). So hat jeder seine Chance, Spannung ist garantiert – bis zur letzten Minute (nichts für ungut, Ottmar Hitzfeld).
Da dies aber alles ferne Zukunftsmusik ist, bleibt uns nur noch die ehrenvolle Aufgabe, die definitive Abstiegsvision der taz kundzutun: Wir können uns einfach nicht helfen, es läuft immer wieder auf denselben Verein hinaus: den VfB Stuttgart des Gerhard Mayer-Hinterlader (nichts für ungut, Ralf Rangnick, dafür steigt ja bestimmt Ulm auf). Matti Lieske
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