Press-Schlag: Tief im Jammertal
■ Der DFB zetert sich vor dem Neuseeland-Spiel in Mexiko um seine WM-Chancen
Wenn man es nicht besser wüßte, könnte man meinen, Joseph Blatter hätte die Idee aufgebracht, daß Deutschland sich für die Fußball-WM 2006 bewerben solle. Was hatte der Fifa-Präsident nicht für Ärger mit den europäischen Fußball-Funktionären, und noch letztes Jahr im Wahlkampf gegen den Schweden Lennart Johansson stand vor allem DFB-Chef Egidius Braun ehern an der Spitze der Anti-Blatter-Front. Inzwischen rutschen die deutschen Fußball-Oberen vor Blatter auf den Knien und fressen ihm aus der Hand, nur um ihre Chancen bei der WM-Vergabe im nächsten Jahr nicht zu schmälern. Egal, welch absurden neuen Wettbewerb der innovationsfreudige Fifa-Boß ins Leben ruft, der DFB schreit lauthals: Hier! Und sollte es dem Schweizer einfallen, für Weihnachten einen Joseph-Cup und zu Ostern eine Blatter-Trophy auszuloben, Deutschland wäre dabei. Mitbewerber England betreibt die Sache ähnlich, Champions-League-Sieger Manchester United muß sogar auf den FA-Cup verzichten, damit ja nicht Vize Bayern München bei der Klub-WM, einem weiteren Blatter-Spielzeug, um Sympathien und Stimmen bei der 24köpfigen Fifa-Exekutive werben darf.
Dagegen ist wenig einzuwenden. Zwar sind die Chancen auf einen europäischen Zuschlag für 2006 minimal, sofern Südafrika eine halbwegs brauchbare Bewerbung vorlegt, aber wenn man ins Rennen geht, muß man auch laufen. Oder spielen. Zum Beispiel beim Confederations-Cup in Mexiko, wo es heute nacht gegen den gewaltigen Gegner Neuseeland geht. „Wenn wir da nicht hingefahren wären, hätten wir uns gar nicht bewerben brauchen“, sagt WM-Propagandist Franz Beckenbauer. Verbockt hat die Sache natürlich Berti Vogts. Der Bundestrainer sammelte 1997 mit seiner Entscheidung, als Europameister nicht zum ersten Confederations-Cup nach Saudi-Arabien zu fahren, mehr Minuspunkte, als das deutsche Team bei sämtlichen Confederations-Cups der nächsten hundert Jahre einfahren kann. Es ist viel gutzumachen, drum mußte man nach Mexiko.
Möglicherweise wäre der positive Effekt ja sogar eingetreten, wenn es die deutsche Delegation schaffen würde, einfach nur zu spielen und nicht pausenlos zu jammern. Inzwischen aber weiß die ganze Welt, wie es die Deutschen hassen, in Mexiko zu sein, welch überwältigendes Opfer die Reise darstellt und daß es sich bei der ganzen Aktion um nichts als eine Arschkriecherei phänomenalen Ausmaßes handelt.
Die Vertreter der Bundesliga-Vereine wiederum führen ständig im Munde, wie großartig es wäre, die WM zu bekommen, dafür tun wollen sie offenkundig nichts. Im Gegenteil. Permanentes Gezeter über die Abstellung einiger Spitzenkräfte in der heiligen Vorbereitungszeit, schließlich Begrenzung auf drei Leute pro Team. Die Folge ist, daß dem Match gegen Neuseeland mit einigem Grausen entgegengesehen wird. Teamchef Erich Ribbeck verordnete gar ein Geheimtraining: „Was sollen wir dem Gegner alle taktischen Varianten und Finessen zeigen?“ Keine Angst, die hat er schon beim Spiel gegen Brasilien zur Genüge gesehen.
Die Sorge ist indes begründet. Sollten dem 0:4 gegen die Südamerikaner weitere peinsame Resultate gegen Neuseeland und Freitag nacht gegen die USA folgen, wäre nicht nur der deutsche Mißmut global demonstriert. Die Leute könnten vielmehr auf die Idee verfallen, daß wer schon bei der Konstruktion einer vernünftigen Fußballmannschaft versagt, möglicherweise auch Probleme bei der Organisation einer ganzen WM bekommen könnte.
Matti Lieske
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