Press-Schlag: Vorgruppe Deutschland
■ Gelassen reagiert Neuseeland auf das schmachvolle 0:2 gegen den DFB
Guadelajara, Mexiko, der Austragungsort. Vor dem Spitzenspiel des Konfödcups Brasilien USA (1:0) wurden als Anheizer nicht Folklore-Ensembles oder Militärkapellen engagiert, sondern zwei Vorgruppen: Deutschland und Neuseeland. Eine kluge Idee: So waren schon beim Anstoß in der riesigen Stadionschüssel fast 10.000 Menschen zugegen, eine mächtige Zahl für ein Vorspiel. Schafft selbst das deutsche Frauen-Pokalfinale kaum.
Im masochistischen Fußball-Deutschland war es wie immer: Die Städte menschenleer, denn TV-Kicken gegen Neuseeland ist ein Straßenfeger. Zeitweilig lag der Marktanteil bei 38 Prozent, viel mehr hatte zuletzt nur Gottschalk in Mallorca (54,6). Der deutsche Fernsehkommentator Heribärtchen Faßbender warnte schon in Minute 3 vor „Neuseelands übermächtigem Mittelfeld“, pries den Gegner bald „als große Sportnation“ (40.), die so „frech“ (75.) agierten, daß er (92.) die resümierende Frage erbrach, „ob Deutschland noch weit von der Drittklassigkeit entfernt“ sei.
In Neuseeland regierte derweil Gelassenheit. Gerne hätte man gegen einen stärkeren Gegner gespielt. Schon die Vorberichterstattung im nationalen Radio-Sportkanal wußte die Deutschen einzuschätzen: Man habe gehört, sagte der Kommentator, es gebe jetzt in Schweden eine Fußball-WM der Roboter. „Etwas Neues? Das gibt es doch schon seit Jahren: The German Bundesliga.“ Nicht einmal einen eigenen Reporter hatten das Kiwi-TV entsandt und auch auf den eingeplanten Ex-Bremer Wynton Rufer als Kommentator verzichtet.
Neuseeland liebt Schöneres als Fußball: Sensationell im Juni die Halbfinalteilnahme beim Cricket-Worldcup, danach gar der triumphale Sieg gegen England in Lords, dem Wembley des Crickets. Noch mehr ist das Land derzeit berauscht von den All Blacks, den Rugby-Cracks, die Australien mit 34:15 wegpusteten und gar 28:0 gegen Weltmeister Südafrika gewannen. Die All Blacks zelebrieren zur Einschüchterung des Gegners vor jedem Match den Haka, einen rituellen Maori-Kriegstanz. Etwas ähnliches wollten die All Whites, wie die Kiwi-Kicker heißen, in Mexiko auch aufführen. Doch die Fifa-Bürokraten verbaten sich solch rituelles Vorspiel-Doping. Was man in Neuseeland „sehr humorlos“ fand.
Trotz aller Zurückhaltung hatte man, angeführt von zwei Drittligaspielern, bessere Chancen und mehr Ecken als die Ribbeck-Deutschen. Ein Hauch der einst gewohnten Mischung aus Glück, Routine, Arroganz (-‘ 2:0) führte dazu, daß der DFB gegen die USA (beide 3 Punkte) nun sogar um den zweiten Halbfinalplatz neben Brasilien (6) spielt. Dabei wollten sie doch bloß für die WM 2006 Opfer bringen. Immerhin, die Kinder im Waisenhaus Queretaro haben die DFB-Gewaltigen erfolgreich mißbraucht: Die armen Würmer mußten für die Kameras in Reihe antreten, knöchellange Deutschland-Trikotagen und häßliche 2006-Caps anziehen und mit Kinderliedern einen DFB-Haka trällern. Bernd Müllender
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