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Press-SchlagTurmsturz zu Wembley

■ Das neue, supermoderne Stadion wird ohne die berühmten Twin Towers sein

Der Entwurf des neuen Wembley-Stadions war kaum enthüllt, da meldete der Vorsitzende der Wembley National Stadium GmbH, Ken Bates, mit Begeisterung in der Stimme schon „die erste Panne in der Bauplanung“. Bei der feierlichen Präsentation blieb die Videoleinwand, auf der ein Modell der zukünftigen Arena erscheinen sollte, schwarz. Einige Momente später funktionierte die Technik dann wieder. Der Blick war frei auf ein Projekt, das dem internationalen Stadionbau eine neue Dimension geben wird; vorausgesetzt, die Pannen bleiben so klein wie die mit der Leinwand.

Wembley, der bekannteste Sportplatz der Welt, wird im Spätsommer 2000 komplett abgerissen und bis 2003 unter Leitung des Architekten Norman Foster an derselben Stelle im Londoner Nordwesten neu gebaut. Foster gestaltete auch den Umbau des Berliner Reichstags. 1,38 Milliarden Mark sind an Kosten veranschlagt, rund 350 Millionen davon gibt die britische Regierung, den großen Rest muß die Stadion GmbH, eine Tochterfirma des englischen Fußball- Verbandes (FA), selbst aufbringen. Großveranstaltungen wie die Weltmeisterschaft 2006, um deren Ausrichtung sich die FA in Konkurrenz zum DFB bewirbt, wird man brauchen, um die Kosten wieder einzuspielen.

Das Design, das Foster und Bates in der Banketthalle des alten Wembley präsentierten, stellt das Londoner Modell in eine Reihe mit dem Stade de France in Paris und dem Olympiastadion in Sydney. Gleichzeitig ist es die Weiterentwicklung dieser modernen Stadionarchitektur: Äußerlich Messe- oder Flughafenhallen ähnlicher als den traditionellen Betonklotzstadien, mit viel Stahl und Glas, verspricht das neue Wembley Service und moderne Technologie. Statt wie bisher 78.000 wird die Arena 90.000 Zuschauer fassen, allesamt auf Sitzplätzen mit idealer Sicht. Die erste Sitzreihe ist nur neun Meter vom Spielfeld entfernt. Für Leichtathletikveranstaltungen kann man die vordersten Ränge abbauen und eine Tartanbahn auftragen. 13 Restaurants, 478 Imbißbuden, 100.000 Quadratmeter Bürofläche, ein Fünfsternehotel mit 200 Betten sollen integriert werden. „Die Leute werden allein wegen des Stadions nach Wembley kommen“, sagt der britische Minister für Kultur, Medien und Sport, Chris Smith – „und nicht wie bisher trotz des Stadions.“

Platz für melancholische Rückblicke war nicht bei der Präsentation, und auch die Kampagnen der Boulevardzeitungen für den Erhalt der Zwillingstürme am Eingang – Wahrzeichen des alten Wembley – blieben ohne Erfolg. Da wurde eine Aufregung inszeniert, als ob die drei Löwen auf dem Wappen der englischen Nationalelf von „vier Spice Girls ersetzt würden“, registrierte Simon Inglis, ein Consultant des neuen Wembley, und befand, es gebe Wichtigeres zu tun, als „zwei alte Salz- und Pfefferpötte zu bewahren“. 60 Millionen Mark hätte der Erhalt der Türme gekostet, ergänzte Architekt Foster, „mit dem Geld kann man bessere Dinge machen“. Er hatte ein Beispiel parat: Die Anzahl der Toiletten in Wembley werde von 361 auf 1.985 gesteigert. Was für eine Erleichterung. Ronald Reng

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