Press-Schlag: Indignierter Drogenzar
■ Wenig amüsiert ist man in den USA über die Anti-Doping-Agentur des IOC
Juan Antonio Samaranch war ganz in seinem Element. Kaum hatte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die EU-Sportminister und deren Zustimmung zur Gründung der vom IOC konzipierten Anti-Doping-Agentur am kommenden Mittwoch im Sack, wurde der 79-Jährige ganz zuckersüß. „Wir begrüßen die Regierungen Europas beim gemeinsamen Kampf gegen das Doping und halten die Tür offen für andere Regierungen dieser Welt, die uns bei unserem Kreuzzug begleiten wollen.“
Das ging an die Adresse der USA, deren oberster Dopingbeauftragter Barry McCaffrey noch in der letzten Woche versucht hatte, die EU-Minister davon abzuhalten, Samaranch auf den Leim zu gehen. Als „verrückt“ und „völligen Blödsinn“ hatte der stockkonservative und stocksteife „Drogenzar“, wie man ihn in Washington nennt, die geplante Agentur bezeichnet und gewarnt, dass dieser Institution „Unabhängigkeit, Transparenz und Zuverlässigkeit“ fehlen würden. Statt dessen schlug McCaffrey vor, bei einem Treffen von Vertretern aus 26 Nationen, das am 14. November in Australien beginnt, eine eigene Anti-Doping-Agentur zu projektieren, an der sich dann auch das IOC beteiligen dürfe.
Die EU schlug die Warnungen aus Amerika jedoch in den Wind. Am Dienstag einigten sich die in der EU-Kommission für Sport zuständige Luxemburgerin Viviane Reding und der finnische Sportminister Suvi Linden mit Samaranch auf die Gründung der Agentur am 10. November. Das Direktorium soll zunächst aus je 15 Personen aus den Sportorganisationen und von Regierungen bestehen. Vorläufiger Sitz ist doch das IOC-Domizil Lausanne, als Standort vor allem von McCaffrey, aber auch von der EU heftigst abgelehnt. Kandidatenstädte für die endgültige Heimstatt der Agentur sind Bonn, Athen, Madrid, Lissabon, Wien, Lille und Luxemburg. Doch kaum hatte Samaranch seine EU-Besucher eingewickelt, wurde er schon wieder übermütig. „Lausanne ist noch nicht aus dem Rennen“, sagte er frech.
Ebenfalls nicht aus dem Rennen sind die USA. „Ohne die Vereinigten Staaten wäre die Agentur nicht komplett“, umschmeichelt Viviane Reding den brüskierten McCaffrey und versichert, dass im Direktorium jederzeit ein Sitz für die USA reserviert sei. Ob der Drogenzar diesen will, scheint indes fraglich. Ende des Jahres soll die mit 25 Millionen Dollar vom IOC ausgestattete Agentur ihre Arbeit aufnehmen, zunächst auf der Basis der von der Medizinischen Kommission des IOC erstellten Liste verbotener Mittel. Dieser Kommission und ihrem langjährigen Chef Alexandre de Merode traut Barry McCaffrey ganz und gar nicht über den Weg und hat dazu auch allen Grund.
Erst diese Woche beschwerte sich der Münchner Wissenschaftler Christian Strasburger im Stern, dass seine neu entwickelte Methode des Nachweises künstlich zugeführter Wachstumshormone (HGH) von de Merode bisher ignoriert worden sei, obwohl es möglich wäre, diese schon bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney anzuwenden. Am Montag bestätigte de Merode, dass es in Sydney wohl keine Tests für HGH geben werde, weil die Substanzen nur durch Bluttests nachzuweisen seien, die das IOC aber nicht durchführe. Bei der Dopingkonferenz im Februar hatte er noch argumentiert, dass es in Sydney keine Bluttests geben werde, weil man mit denen nichts nachweisen könne. Die Katze beißt sich in den Schwanz, und es ist kein Wunder, dass sich Strasburger der Verdacht aufdrängt, das IOC spiele auf Zeit, „damit solche Kontrollmethoden in Sydney nicht etabliert werden“. Dazu passt, dass der vom IOC mit der HGH-Forschung beauftragte Londoner Professor Peter Sönksen über schleppende Finanzierung durch das IOC klagt.
Während sich Alexandre de Merode also in alter Ineffektivität übt, tut sich immerhin an anderer Stelle etwas. Die australische Zollministerin Amanda Vanstone kündigte am Mittwoch an, dass die Strafen für das Einschmuggeln von Dopingmitteln verdoppelt würden. Den Tätern drohen dann Geldstrafen in Höhe von 65.000 US-Dollar und Gefängnis bis zu fünf Jahren. Australiens NOK-Präsident John Coates erklärte, es sei Eile geboten, da die Erfahrung lehre, dass in der Zeit vor Olympischen Spielen emsig Lagerbestände von Dopingmitteln angelegt würden. So beschlagnahmte der australische Zoll im Zeitraum 98/99 fast tausend Kilo illegale Substanzen wie Steroide und Hormone, im Jahr zuvor waren es lediglich 558 Kilo. Matti Lieske
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