: Premiere für Strafgerichtshof
Der kongolesische Milizenführer Thomas Lubanga wird in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom französischen Militär von Kinshasa nach Den Haag gebracht
BERLIN taz ■ Zum ersten Mal ist ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Haft genommen worden. Thomas Lubanga, ehemaliger Milizenführer aus der Demokratischen Republik Kongo, wurde in der Hauptstadt Kinshasa gestern im Morgengrauen in ein französisches Militärflugzeug gesetzt und sollte im Laufe des Tages nach Den Haag geflogen werden.
Lubanga führte 2001 bis 2003 die „Union kongolesischer Patrioten“ (UPC), eine Miliz im nordostkongolesischen Distrikt Ituri, die sich vor allem aus Angehörigen des Hema-Volks rekrutierte. Die UPC befand sich damals im Krieg mit Milizen des Lendu-Volks und galt als mit Ruanda verbündet. Als französische Eingreiftruppen im Sommer 2003 die Kontrolle über Ituris Hauptstadt Bunia übernahmen, richtete sich ihr Einsatz vor allem gegen die UPC, der ebenso wie ihren Gegnern zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden. Der IStGH hat seine 2004 begonnenen Vorermittlungen zu Kongo auf Ituris Milizenführer konzentriert. Lubanga sitzt seit 2005 in Kinshasa in Haft.
Die UN-Mission im Kongo (Monuc) bestätigte, Mitarbeiter des lokalen IStGH-Büros hätten Lubangas Auslieferung seit mehreren Tagen vorbereitet. Nach Angaben der kongolesischen Menschenrechtsorganisation VSV (Stimme der Stimmlosen) versuchten Soldaten seit Mittwoch viermal, Lubanga aus seiner Zelle im Zentralgefängnis zu holen – erfolglos, da sie nicht die korrekten Dokumente bei sich hatten. Erst als sie am Donnerstag mit Lubangas Anwalt auftauchten, konnte er zur Abteilung für interne Ermittlungen der kongolesischen Armee gebracht werden, wo man ihn offiziell informierte, das im Kongo laufende Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Völkermord sei eingestellt und er werde nach Den Haag gebracht. Polizisten, begleitet von IStGH-Mitarbeitern brachte ihn schließlich zum Flughafen.
Erst gestern, als die Überführung im Gange war, gab der Strafgerichtshof bekannt, dass gegen Lubanga Haftbefehl vorliegt. Bisher hatte der IStGH Haftbefehle lediglich gegen ugandische Rebellenführer erlassen. Der Haftbefehl gegen Lubanga, ausgestellt am 10. Februar, bezieht sich lediglich auf die Rekrutierung von Kindersoldaten – eine Straftat, wegen der man Kongos gesamte Übergangsregierung nach Den Haag fliegen könnte. Ein UPC-Sprecher kritisierte gestern gegenüber der taz die „illegale Entführung“ Lubangas.
„Es ist ein wichtiger Schritt, aber der Gerichtshof sollte auch Führer anderer bewaffneter Gruppen verhaften und sie mit der vollen Bandbreite ihrer Taten anklagen“, sagte Anneke van Woudenberg von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch der taz. Nur Lubanga zu verhaften und nicht auch seine Gegner, wäre ein fatales Signal. DOMINIC JOHNSON