Premier Dodik will Teilung Bosniens: Das Sicherheitsrisiko
Milorad Dodik profilierte sich als Gegner von Karadzic und wurde 2006 Premier der serbischen Teilrepublik Bosniens. Nun will er das Land teilen. Kann die EU ihn stoppen?
Der ehemalige Präsident der Republika Srpska wurde am
21. Juli 2008 in Belgrad von serbischen Sicherheitskräften verhaftet und wenige Tage später an das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag (ICTY) ausgeliefert. Seit 1996 hatte sich Karadzic einer Verhaftung entzogen und im Untergrund in Bosnien gelebt. Seit seiner Auslieferung an das Tribunal sitzt er in Untersuchungshaft. Bisher gab es nur einige Einvernahmen über die Prozessprozeduren. Der Prozess selbst wird wohl Anfang des nächsten Jahres beginnen. Karadzic war nach Ansicht der Anklage im Krieg 1992-95 verantwortlich für die Verbrechen während der Vertreibung der nichtserbischen Bevölkerung aus Bosnien. Wichtigster Punkt der Anklageschrift ist der Vorwurf des Völkermordes bei der Eroberung der Enklave Srebrenica 1995, während deren über 8.000 Menschen ermordet wurden. ER
Milorad Dodik ist zurzeit der umstrittenste Politiker auf dem Balkan. Der Ministerpräsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina ist für den Präsidenten Kroatiens, Stipe Mesic, sogar das größte "Sicherheitsrisiko" der Region. Denn Dodik droht, die serbische Teilrepublik vom Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina zu lösen, will also Bosnien in zwei souveräne Staaten aufteilen. Dazu wollte er am Montag vorletzter Woche eine Resolution über eine Volksabstimmung ins Parlament einbringen.An Journalisten hatte er den Text dafür bereits verteilt, zog ihn dann aber im letzten Moment zurück.
Droht also nun eine neue Auseinandersetzung um Bosnien? Eine Auseinandersetzung, in die auch die Nachbarstaaten Kroatien und Serbien wieder hineingezogen werden könnten? In einem gemeinsamen dramatischen Appell forderten am vergangenen Mittwoch der US-Außenpolitiker Richard Holbrooke und Paddy Ashdown, von 2002 bis 2006 Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, die EU und die USA auf, gemeinsam aktiv zu werden.
Auch in Sarajevo selbst äußern sich ausländische Diplomaten entsetzt über Milorad Dodik. Denn eigentlich galt der 1959 in Laktasi bei Banja Luka geborenen Mann lange Zeit als Hoffnungsträger, war er doch ein entschiedener Gegner des Serbenführers Radovan Karadzic. Doch seit seinem Sieg bei den Wahlen im Herbst 2006 regiert Dodik den serbischen Teilstaat immer mehr wie sein persönliches Eigentum. Das neu gebaute Regierungsgebäude soll mehr als 100 Millionen Euro gekostet haben. Und das in einem Land, das immer noch zu den ärmsten Europas gehört und in dem das Durchschittseinkommen bei 300 Euro im Monat liegt.
Wie in allen Balkanstaaten blüht auch in Bosnien die Korruption. Im Unterschied zu den anderen wird im serbischen Teilstaat Kritik daran nicht mehr öffentlich geäußert. Als ein Beamter sich daranmachte, einige Korruptionsfälle zu untersuchen, flog er im Januar dieses Jahres mitsamt seinem Auto in die Luft. Dodik scheute sich im Juni nicht einmal, die Antikorruptionsagentur Transparency International aus seinem Machtbereich zu verbannen.
Und auch die meisten Medien tanzen nach Dodiks Pfeife. Erst recht, nachdem seine Serbische Unabhängige Sozialdemokratische Partei bei den Kommunalwahlen am 6. Oktober einen überwältigenden Wahlsieg errang und in fast allen Kommunen die absolute Mehrheit gewann. Lediglich in drei Städten, in Prijedor, Bijeljina und Doboj Dodik, konnten sich seine Sozialdemokraten nicht durchsetzen. Weshalb Dodik diesen nun den staatlichen Geldhahn zudrehen möchte.
"Der kleine Putin aus Banja Luka wird langsam zum Problem für die Serben selbst", sagt ein ehemaliger Parteigänger. Der 49-jährige Dodik hat sich von einem Gegner der serbischen nationalistischen Radikalen hin zu einem ihrer Vertreter entwickelt. Als der Sozialdemokrat zum ersten Mal im Jahre 1999 Ministerpräsident der Republika Srpska wurde und als Reformer auftrat, dann sogar zum Außenminister im Gesamtstaat aufstieg, wurde er nicht nur von den USA hofiert. Auch die Friedrich Ebert-Stiftung unterstützte Dodik; seine Partei wurde in die Sozialistische Internationale aufgenommen. "Er war unser Mann", sagte kürzlich Raffi Gregorian, US-Diplomat und Stellvertreter des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien.
Jetzt sitzen die internationalen Institutionen vor Ort und auch die EU-Außenpolitiker wie Javier Solana und Erweiterungskommissar Olli Rehn vor einem Scherbenhaufen ihrer Politik. Nach dem Friedensabkommen von Dayton 1995 wurden Milliarden von Unterstützungsgeldern in das Land gepumpt. Die ehemaligen Kriegsgegner sollten befriedet werden und wieder politisch zusammenarbeiten. Auch die USA und Russland traten dafür ein, Bosnien in die EU zu führen. Das zweigeteilte Land sollte geeint werden.
Diese Strategie wäre fast aufgegangen. Bis zu den Wahlen 2006 sah es trotz vieler Rückschläge ganz gut aus. Bis Milorad Dodik diesen Prozess stoppte.
Nach der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Montenegros von Serbien besuchte er im April 2006 die montenegrinische Hauptstadt Podgorica und sprach nach seiner Rückkehr erstmals offen über die Loslösung der serbischen Teilrepublik von Bosnien. Anfänglich schien das einfach nur so dahingesagt, erklären ehemalige Freunde Dodiks wie der Vorsitzende der Helsinki-Föderation für Menschenrechte, Srdan Dizdarevic aus Sarajevo. Doch Dodik habe gemerkt, wie sich nach seiner Äußerung während der Wahlkampagne die Säle füllten. Der Großteil der serbischen Bevölkerung in der Republika Srpska fürchtete um die eigene Stellung im wieder zusammenwachsenden Staat.
Denn in diesem Staat stellen die Serben, die sich zum orthodoxen Glauben bekennen, mit einem Drittel der Bevölkerung nur die zweitgrößte Gruppe hinter den muslimischen Bosniaken. Die katholischen Kroaten sind mit 10 Prozent die kleinste Gruppe. In der serbischen Teilrepublik jedoch haben die Serben die absolute Mehrheit. Vor allem ältere Serben, die im Kriege aktiv waren, fürchten einen einheitlichen Staat, eine einheitliche Polizei und ein gemeinsames Justizsystem, wie es von der Europäischen Union gefordert wurde. Viele heute aktive Polizisten waren Anhänger von Radovan Karadzic.
Allerdings trug auch die andere Seite zum Misslingen der Wiedervereinigungsbemühungen bei. So ließ der Vorsitzende der "Partei für Bosnien und Herzegowina", Haris Silajdzic, im Frühjahr 2006 den Entwurf einer neuen Verfassung scheitern, weil diese die Existenz der nationalen Entitäten bestätigt hätte. In seiner Wahlkampagne forderte Silajdzic, die beiden Teilstaaten müssten aufgelöst werden und einem gestärkten Gesamtstaat Platz machen.
Das jedoch war für die Serben nicht hinnehmbar. Und auch nicht für die internationalen Institutionen. Sie warfen Silajdzic vor, Öl ins Feuer zu gießen.
Von diesem Zeitpunkt an war es für Dodik leicht, sich als Verteidiger der Existenz der Republika Srpska darzustellen. Da Silajdzic zudem immer wieder auf die Schuld der serbischen Politik am "Genozid an der bosniakisch-muslimischen Bevölkerung" während des Krieges hinwies, wühlte er weitere Emotionen auf. Die Serben fühlten sich um so mehr am Pranger, als der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Schuld der Republika Srpska am Genozid bestätigte. Und sie wählten den einzigen Ausweg, der ihnen blieb, ohne die Schuld an den Massakern einzugestehen: Milorad Dodik. Den Mann, von dem sie annahmen, dass er es sowohl Haris Silajdzic wie auch der internationalen Gemeinschaft zeigen konnte.
Doch Dodiks Politik hat eine Schwachstelle. So beruft er sich einerseits auf die Einhaltung internationaler Abkommen wie des Vertrags von Dayton. Andererseits verstößt er mit seinem Ziel der Loslösung jedoch genau gegen diese Abkommen. Die bosniakischen Medien in Sarajevo forderten den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft auf, Dodik von allen seinen Posten abzusetzen.
Die Macht dazu hätte er. Die sogenannten Bonn Powers geben dem Repräsentanten sogar die Möglichkeit, Gesetze zu kassieren. Doch weder der damalige Hohe Repräsentant Christian Schwarz-Schilling noch sein Nachfolger Miroslav Lajcák wollte so weit gehen. "Wer hätte denn Dodik ersetzen können?", fragt der Amerikaner Raffi Gregorian entschuldigend.
Die internationale Gemeinschaft zeigt sich bis heute unentschlossen. Unklar ist, ob sie vor zwei Wochen Dodik zum Rückzug der Resolution über die Volksabstimmung gezwungen hat. Doch Dodik hat sein Ziel nicht aufgegeben. Er will nach wie vor die Republika Srpska zu einem souveränen Staat machen und diesen dann in die EU führen. Bislang freilich will die EU nur mit dem Gesamtstaat verhandeln. Und sie scheint den Konflikt bisher nicht allzu ernst zu nehmen. Trotz aller dramatischen Appelle aus Sarajevo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg