Prekäres Wohnen in Lichtenberg: Dunkle Zeiten im Trailerpark
Die Bewohner*innen des Trailerparks in Karlshorst sitzen im Dunkeln und in der Kälte: Das Bezirksamt Lichtenberg hat ihnen den Strom abgestellt.
Auf dem Gelände stehen einige Dutzend Wohnwagen und Container, vor einigen liegt etwas Müll. Der Platz wirkt leer und trostlos, die Kälte hat die Menschen in die Wagen oder ganz vom Platz vertrieben. Diejenigen, die zu sehen sind, räumen irgendwas herum, eine nervöse Spannung liegt in der Luft. In einer improvisierten Feuertonne glimmt etwas Holz, ein Junge wirft lustlos noch ein Brett hinein. Daneben sucht eine struppige Katze nach Essen, im Hintergrund brummt ein kleiner Generator. Der Wohnwagen am Eingang ist mit Grußbotschaften und Lichterketten verziert – die 53-jährige Bewohnerin ist im September an Krebs verstorben.
Nun sitzen die verbliebenen Bewohner*innen in der Kälte und nachts im Dunkeln. Durch die Kälte komme sie an freien Tagen kaum noch hoch, erzählt Jana, die seit anderthalb Jahren auf dem Platz wohnt und an fünf Tagen in der Woche in Frühschicht arbeitet. „Ich kann mir mittlerweile besser vorstellen, wie das für Leute auf der Straße ist“, sagt sie.
„Das hier ist unser Zuhause“
„Ohne Strom- und Wasserversorgung ist es lebensbedrohlich“, ergänzt Denise Bandekow. Die drahtige Frau wohnt seit fast zwei Jahren hier und versucht den Platz nach außen zu vertreten. Immer wieder kommen einzelne Leute zu ihr mit Fragen oder Hinweisen. Sie hat auch schon mit Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) über Ersatzangebote gesprochen, über Hostels und Hotels für 26 Euro pro Nacht. Nur Obdachlosenheime, „da kann ich niemals hinziehen“, betont Bandekow: „Dieser Platz ist unser Zuhause.“
Seit der Strom gekappt ist, haben einige Menschen den Platz verlassen, es gibt Auflösungserscheinungen. „Wenn wir Strom bekämen, wäre der Zusammenhalt wieder da“, glaubt Jana. Für manche sei die aktuelle Situation lebensbedrohlich: „Viele stürzen jetzt ab.“ Jana glaubt, es gehe „eigentlich darum, Uli eins auszuwischen – aber sie wischen uns eins aus. Der Uli ist ’n Netter“, findet sie.
„Der Uli“ ist Trailerpark-Eigentümer Ulrich Ziegler, der noch andere Grundstücke in Berlin besitzt. Mit Anzeigen wie „Wohnen in Naturnähe auf kleinstem Raum“ werden Wohnwagen oder Container lukrativ vermietet. Auch Denise und Jana zahlen um die 500 Euro für ihre Bleibe, im Fall von Denise übernahm das bis vor einem halben Jahr das Jobcenter.
Ein hoher Preis – aber was ist die Alternative? Hier leben von Armut Betroffene, Migrant*innen, Alkoholabhängige, Sinti und Roma, psychisch Auffällige – Menschen, die auf dem „freien Wohnungsmarkt“ so gut wie keine Chance haben. Ziegler vermietet ihnen ihre eigenen vier Wände, kam bislang für Strom und Infrastruktur auf. Deshalb nennt er seine Containersiedlungen auch „soziale Wohnprojekte“. Hier könnten die Menschen selbstbestimmt leben und hätten eine Meldeadresse.
„Kriminelles Gebaren“?
Die Bezirksämter sehen das anders. Sie werfen Ziegler „kriminelles Gebaren“ vor, denn er darf auf seinen Grundstücken keinen Wohnraum vermieten. Ein ähnliches Gelände in der Treptower Moosstraße wurde daher im Sommer geräumt. Auch am Wiesenweg heißt es, der Trailerpark sei illegal, denn er liegt im Gewerbegebiet, wo nicht gewohnt werden darf. Jahrelang störte das offenbar niemanden, die Trailer wurden geduldet.
„Ihr grünes Zuhause zwischen Natur und Innenstadt“, heißt es genau gegenüber. Dort baut der Projektentwickler Bonava hochpreisige Wohnungen, die „Parkstadt Karlshorst“ ist fast fertig. Der Trailerpark ist da anscheinend ein Dorn im Auge. Der Aufschüttung einer Straße, die die Bonava wollte, war der Zaun des Trailerparks im Weg. Im Juni ließ ihn der Bezirk mit Polizeiaufgebot abreißen.
Für das Gelände am Wiesenweg gab es eigentlich eine Einigung vor Gericht: Die Bewohner*innen sollten bis Mai 2024 bleiben dürfen – wenn der Eigentümer dafür sorgt, dass keine weiteren Container aufgestellt werden. Das ist offenbar nicht geschehen: Anfang Oktober waren etwa 220 Personen dort gemeldet, einige hatten sich erst nach dem gerichtlichen Vergleich angemeldet. Er werde das nicht akzeptieren, schrieb Hönicke am 6. Oktober, wie aus einem Schriftverkehr hervorgeht, der der taz vorliegt.
Ende September wurde der Strom für einen Großteil der Bewohner*innen gekappt, „aufgrund von Fragen der Sicherheit und wegen illegalen Stromerwerbs“, so das Bezirksamt. Der Strom werde wieder angestellt, wenn der Eigentümer „die sichere Stromverteilung und einen legalen Stromerwerb“ absichere. Stattdessen wurde am 12. Oktober der Strom ganz abgestellt. Die Stromnetz Berlin bestätigt die Darstellung des Bezirksamts, wonach ein Sachverständiger „gravierende Mängel festgestellt“ und eine sofortige „Trennung vom Stromnetz veranlasst“ habe. „Verantwortlich für die entstandene Situation ist der Eigentümer, da er den mangelhaften Zustand geduldet bzw. nicht beseitigt hat“, so das Unternehmen.
„Bezirk müsste für Ersatz sorgen“
Ulrich Ziegler selbst hat sich seitdem nicht öffentlich geäußert. Umso mehr dafür Klaus Langer, der sich als „Streetworker“ bezeichnet, der das „alternativ-soziale Wohnprojekt begleitet“, von den Bewohner*innen aber als Freund des Eigentümers gesehen wird. Laut Langer verweigert das Bezirksamt die Zustimmung zur Nutzung der Anschlüsse: „Der Bezirk müsste in Ersatzvornahme eine Notstromversorgung installieren, Eigentümer und Betreiber haben bereits erklärt, dass sie die Kosten tragen würden“, sagt er. Er befürchtet allerdings, dass das Bezirksamt „neue Vorwände konstruieren wird“.
Der Grund: „Für die Bewohner soll es ungemütlich werden, sodass die angebotenen Asyle angenommen und das Grundstück beräumt werden kann.“ Damit spielt er auf die umstrittene Räumung des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht im Februar 2021 an, die bei eisigen Temperaturen stattfand und ebenfalls von Hönicke verantwortet wurde.
Nun ist Hönicke am Montag überraschend von Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) „vorübergehend freigestellt“ worden. Ein Grund wurde zunächst nicht genannt. Klaus Langer schrieb umgehend einen Brief an Schaefer, in dem er eine Zusammenarbeit anbietet und erneut darauf hinweist, dass der Eigentümer dem Bezirk bereits vor Monaten vorgeschlagen hatte, das Grundstück unentgeltlich für zehn Jahre als Safe Space nutzen. Er hofft auf eine „Mediation und einvernehmliche Verständigung“ zur Beendigung der Wohnnutzung: „Im Allgemeinen gilt der Bezirk Lichtenberg nicht als unsozial gegenüber hilfebedürftigen Menschen.“
Dass das Bezirksamt auf das Angebot eingeht, ob mit oder ohne Hönicke, ist mehr als fraglich. Die CDU Lichtenberg findet es „unverständlich“, warum das Bezirksamt „vor dem Hintergrund der Unbewohnbarkeit immer noch keine Räumung des Camps“ angeordnet habe.
Und dann ist da noch die Bonava mit ihren 1.000 Wohnungen genau gegenüber. Und auch für das Grundstück im Hönower Wiesenweg 23, direkt neben dem Trailerpark, hat die Bonava einen Bauantrag für fünf Mehrfamilienhäuser gestellt. Dafür müsste die Lichtenberger BVV allerdings der Flächennutzungsplan ändern. Das ist vermutlich leichter ohne den Trailerpark.
Ob die verbliebenen Bewohner*innen bis dahin im Dunkeln sitzen? Auf dem Platz gibt es auch Kinder. Denise Bandekow hat einen Sohn. Er glaube an den Weihnachtsmann, und der habe letztes Jahr zu ihrem Sohn gesagt: „Wir sollen doch bitte alle Strom sparen.“ Bandekow wiederholt: „Das Wichtigste ist Strom.“
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